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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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um den Stadtsee und hatte ihr etwas mitgebracht. Denn Cresspahl war wieder imstande, sich zu besinnen auf väterliche Erziehungsgewalt, und hatte bei den Tabakhändlern von Jerichow bis Gneez mit privaten Drohungen ein Verbot erlassen, je seiner Tochter was zum Rauchen zu verkaufen. So kam Pius an mit Zigaretten aus China, deren Marke hieß »Tempel der großen Freude« (in Pius’ Esquadrille konnte Einer sich melden zum Dienst in jener Volksrepublik). Davon gibt es eine Fotografie, unsere einzige.
    1953 nahm Gesine Cresspahl Wohnung im Hessischen, im Westen, und war besorgt, sie könne Pius auch bei diesem Umzug verloren haben. Denn sie durfte von Pius befürchten, er habe solche Freizügigkeit mißbilligen gelernt; auch war ihm ein Briefwechsel mit Leuten im feindlichen Ausland sicherlich untersagt. Rostfrei war die alte Freundschaft! denn Pius richtete seine Briefe nach Hause nunmehr an »Meine Lieben«. Darin war Gesine eingeschlossen; hätte doch Helene Pagenkopf Schriftzüge von ihres Sohnes Hand lieber behalten als sie gehorsam weiterzugeben an Röbbertin sin Gesin. 1954 verlängerte Pius seine Verpflichtung, wurde Berufsoffizier, zu Weihnachten Leutnant, und Gesine klagte ihrem Robertino, zu dieser Anrede hatte sie sich durchgerungen, wie schwer sie sich tue mit ihrem Englisch in einer amerikanisch besetzten Provinz. Inzwischen hatte Pius die Grunzochsen gut genug im Griff, die YAK 18 zum Üben, die YAK 11 zum Können, durfte zurückkommen aus der Sowjetunion; Dienststellung in Drewitz: Flugleiter (stellvertr.). Gesine schickte an die bejahrte Frau Pagenkopf einen klitzekleinen Rasierapparat, wie ein junger Mann ihn brauchen kann; Pius flog nunmehr die MIG 15, im Verband, einmal auch einzeln, weswegen er 1955 in die Leitung der Sprungausbildung versetzt wurde. Gesine sah das an auf eine Degradierung, Pius als »gegroundet« so hieß das, wo sie nunmehr arbeitete. Das kann einem passieren aus gesundheitlichen Gründen oder zur Strafe. Da war’s ihr recht zu hören, daß er unverwundet war; allerdings hindurchgeflogen unter der Autobahnbrücke über den Großen Zern-See. Endlich vergab ihm sein Regiment; Oberleutnant in Merseburg.
    Im Januar 1956 gestand der Sachwalter Ostdeutschlands ein, daß er junge Leute noch zu anderen Zwecken im Fliegen ausbilden ließ als aus deren Lust daran; jene Clubs der Bewaffneten Volkspolizei gehörten nun zu einer Nationalen Volksarmee. Als ob ein Volk so für sich allein des Nationalen ermangele. Ein halbes Jahr später fragte die Luftwaffe der Roten Armee, heute heißt sie die »sowjetische«, bei den Untergebenen in der D. D. R. umher, welche Piloten sie abzugeben hätten; sie sollten durch fliegerisches Können so aufgefallen sein, daß man sich das merkt. Die Karteikarte des Genossen Pagenkopf, denn diese Eigenschaft war nun sein, wurde herausgezogen aus den Meldestellen von Gneez und anderswo; die Angaben zu seiner Person waren nun gebunden in den »begehrtesten Paß der Welt«, den mit dem Wappen der Sowjetunion. Gesine versandte wenig Anzeigen von der Geburt eines gesunden Mädchens im Juli 1957; Pius schenkte dem Kind eine Puppe in der Puppe in der Puppe, mit Gebrauchsanweisung: die allerinnerste, die zu öffnen unmöglich ist, nennen sie hierzulande die Seele. Der Major Pagenkopf fing noch einmal an mit einer Grundausbildung: auf der MIG 21 A, B und C, damit er sich versuchen konnte an der MIG 21 D, einem Abfangjäger, einsatzfähig in jedem Wetter (Name bei der N. A. T. O.: »Fishbed«). Auch Gesine machte eine Lehre, ausführlich und streng, bei einer Bank in Düsseldorf; Pius befaßte sich mit einem SU -7 (»Fitter«), einem schweren Jagdbomber, geeignet für nukleare Aufgaben. Auf den Fotos steht er nun immer allein, ein junger Mann in einem Maßanzug, der britisch anmuten soll; blickt hochmütig, aus einer Ferne; für einen Unterleutnant ein Vorbild, für einen ostdeutschen Offizier eine Respektsperson. Denn die Luftwaffe der D. D. R. ist der Luftverteidigung der Sowjetunion unterstellt; die bekam keinen »Fishbed«. Pius als Geheimnisträger; er teilte von sich mit als Auffassung, der Kaukasus weise doch weniger Ähnlichkeit auf mit dem Grunewald als Göring behauptet habe, ein Luftmarschall von ehedem; Gesine durfte verstehen, daß man ihn nun auch in der Geschichte des Krieges unterwies, gegenwärtig demnach mit der Schlacht von Stalingrad. Gesine wurde in die U. S. A. spediert, die fortgeschrittenen Tricks in der Vermehrung des geliehenen Geldes zu

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