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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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sucht auf den Tabellen an den Wänden, den Schriftstücken auf dem Stahlsekretär nach einem Anfang.
    Wer ist das, dieser de Rosny? Was hat sie mit ihm zu tun? War er einer von denen, die am 26. Juni 1940 die Kapitulation Frankreichs im Hotel Waldorf-Astoria mit einem Festessen begingen? Nein, er nicht. Seine Eltern, womöglich. Was die antifaschistische Komponente angeht, so fühlt sie keine Gefahr von ihm; Faschismus ist schlecht für das Geschäft. Weil er die falschen Gründe hat, deswegen mißtraut sie ihm? Was will er in ihrem Zimmer, bei geschlossener Tür?
    Sie sieht da einen Herrn, der hat für seinen Körper gesorgt von Jugend an, an dem wird er nicht sterben. Es muß schon schlimmes Alter sein, das diesen erledigen will. Er hat sein Gehirn beschäftigt, aber ohne Gewalt, ohne es treiben zu lassen in Alkohol. Dieser wird einmal sehr wach sein, wenn er in den Tod geholt werden soll. Kaum Falten in der Stirn. Meliertes Haar, aber nicht greisenweiß, dicht, kräftige Bürste. Die Augen allerdings, sonst kühl, scharf im Blick, sind heute trübe, kaum noch blau. Das geht heute abend weg auf dem Golfplatz am Sund. Sie sieht ihn, sie würde ihn nun erkennen noch in Verkleidung; sie kann in den Anblick nicht einziehen, was sie weiß. Es ist ein Wissen daneben: er ist einer von denen, vor denen sind wir gewarnt worden auf der Schule. Er ist das feindselige Geld. Es hat ihn aufgezogen, er dient ihm; er meint nicht die Verbesserung des Sozialismus, wenn er der Č. S. S. R. einen Kredit beschaffen will. Von Politik versteht er, was dem Gelde schädlich ist. Er hält es für nützlich, den Tschechoslowaken und Sozialisten jemanden zu schicken, der hat einmal in ihrer Nähe gelebt. Das soll sie sein, sie braucht es nicht zu sein. Warum reicht es nicht zu Ekel?
    – Mrs. Cresspahl. Das ist ein Anfang. Schon hält Räuspern ihn auf. Sie ist nicht einverstanden mit sich, sie möchte ihm doch heraushelfen aus seiner Verlegenheit. – Sir?
    – Sie wollen alle diese Dinge für uns tun … Sie gehen nach Prag für uns, Sie ziehen Ihr Kind aus der Schule, aus der Heimat New York, …: es kann ein viertel Jahr dauern, ein halbes: wiederholt er, stellt er noch einmal fest, aber ganz ohne Bedauern in der Stimme. Mitgefühl hat er kaum im Sinn. Warum sieht er sie nicht an?
    – Yes. Sir: sagt die Angestellte Cresspahl.
    – Würden Sie noch etwas tun? etwas … ich darf es Ihnen nicht sagen, schon dies ist zuviel! Sie könnten sich weigern …: er ist immer schneller geworden; bei jedem anderen hätte sie Befangenheit, Scham, Geniertheit für sicher angenommen. Dieser lächelt nun ein wenig. Bei Cresspahls Katzen hab ich das gesehen, da hielten sie die Pfote über der Maus.
    Es ist nicht die Bank, für die ich das tu.
    Das ist mir bekannt.
    Sie ahnen nicht warum, Mr. de Rosny.
    Mag sein. Solange es uns nützt.
    Ich brauch Ihnen gar nichts zu sagen.
    Sie könnten nun zurücktreten von diesem Auftrag. Es ist die letzte Gelegenheit.
    Dann käme die vierzehntägige Kündigung.
    Sie kennen Ihren Anstellungsvertrag, Mrs. Cresspahl.
    Nach zwei Monaten könnte ich meine Wohnung nicht mehr bezahlen, nach einem halben Jahr müßte ich Marie von ihrer Schule nehmen.
    Und wenn es das wert wäre?
    Sie setzen mich auf die Schwarze Liste, bei keiner Bank im Staat New York, in Pennsylvania, in Neu-England bekäm ich Arbeit.
    Ein Schmerzensgeld.
    Fürs Maulhalten.
    So ist es, young lady. Sogar an Ihrer Arbeitserlaubnis könnten wir was drehen.
    Sie würden sich zweifelsohne entschuldigen.
    Nur in diesem Moment. Jetzt.
    Mr. de Rosny, sagen Sie es. Nur daß ich es weiß.
    Beweisen Sie mir, daß ich hier war, Mrs. Cresspahl. Beweisen Sie es irgend jemandem!
    – Was immer zur Durchführung dieses Auftrags unerläßlich ist, ich werde mich nicht weigern: sagt die Angestellte Cresspahl, steif, höflich. Sie ist ärgerlich auf sich, sie hat einen Moment lang nicht aufgepaßt, in der leeren Stelle sitzt nun Vertrauen. Sie hat eine andere als die richtige Angst.
    – Das ist die Art von Mut, die ich bewundere: sagt de Rosny, dreht sich an einer Schulter aus der Tür, hinterläßt sie angelehnt, war nie hier.
    In den Stunden bis zum Dienstschluß macht Mrs. Cresspahl ihre Arbeiten, als müßten sie allesamt an diesem Tag um 5 p. m. abgeliefert werden. Sie kann die LIBO -Rate, die London Interbank Offered, dieser Woche gut und gern ein zweites Mal durchrechnen. Sie kann das ein drittes Mal übersetzen in tschechische Kronen. Am Ende hat sie nur zwei

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