Jahrmarkt der Eitelkeit
Eine Frau verzeiht nur zu leicht, Hauptmann.«
»Ein Engel wie Sie bestimmt«, sagte Mr. Dobbin mit abscheulicher List. »Und kein rechter Mann kann es sich verzeihen, einer Frau Schmerz zugefügt zu haben. Was würden Sie fühlen, wenn ein Mann Ihnen untreu würde?«
»Ich würde sterben – ich würde mich aus dem Fenster stürzen – ich würde Gift nehmen – ich würde mich zu Tode grämen. Ja, bestimmt«, rief Miss Osborne, die allerdings schon einige Herzensangelegenheiten durchgemacht hatte, ohne an Selbstmord zu denken.
»Es gibt aber auch andere«, fuhr Dobbin fort, »die ebenso aufrichtig, so gutherzig sind wie Sie. Ich spreche nicht von der westindischen Erbin, Miss Osborne, sondern von einem armen Mädchen, das George einst liebte und das von ihrer frühesten Kindheit in Gedanken an ihn erzogen wurde. Ich habe sie klaglos, mit gebrochenem Herzen, aber ohne Falsch in ihrer Armut gesehen. Ich spreche von Miss Sedley. Liebe Miss Osborne, kann Ihr edelmütiges Herz Ihrem Bruder deswegen zürnen, weil er ihr treu blieb? Könnte er seinem eigenen Gewissen je verzeihen, wenn er sie verließe? Seien Sie ihre Freundin – sie hat Sie immer liebgehabt – und – und ich stehe hier, von George beauftragt, und soll Ihnen sagen, daß er seine Verpflichtungen gegenüber Miss Sedley als seine heiligsten betrachtet, und wenigstens Sie bitten, zu ihm zu halten.«
Wenn Mr. Dobbin von einer starken Gemütsbewegung ergriffen wurde, so konnte er nach anfänglichem Stocken sehr geläufig sprechen, und es war offensichtlich, daß seine Beredsamkeit auf seine Gesprächspartnerin doch einigen Eindruck machte.
»Nun«, sagte sie, »das ist – sehr überraschend – sehr schmerzlich – ganz außerordentlich. Was wird Papa dazu sagen – daß George eine so großartige Partie ablehnt – aber auf jeden Fall hat er einen tüchtigen Fürsprecher an Ihnen gefunden, Hauptmann Dobbin. Es hilft aber nichts«, fuhr sie nach einer Pause fort, »die Lage der armen Miss Sedley geht mir ganz gewiß zu Herzen, ja, sehr zu Herzen, wissen Sie. Wir hielten die Partie nie für gut, obgleich wir hier stets freundlich, ja, sehr freundlich zu ihr waren. Aber Papa wird nie seine Einwilligung geben, da bin ich sicher. Und ein wohlerzogenes junges Mädchen, wissen Sie – ein Mädchen mit Verstand – muß ... George muß sie aufgeben, lieber Hauptmann Dobbin, ja, das muß er.«
»Darf ein Mann die Frau aufgeben, die er liebt, gerade wenn sie ins Unglück gerät?« fragte Dobbin und streckte die Hand aus. »Liebe Miss Osborne! Ist das der Rat, den ich von Ihnen höre? Mein liebes gnädiges Fräulein, Sie müssen ihre Freundin sein. Er kann sie nicht aufgeben. Er darf sie nicht aufgeben. Würde ein Mann Sie aufgeben, wenn Sie arm wären?«
Diese geschickte Frage rührte Miss Jane Osbornes Herz. »Ich weiß nicht, ob wir armen Mädchen euch Männern glauben dürfen, Hauptmann«, sagte sie. »Die Liebe macht die Frauen allzu leichtgläubig. Ich befürchte, ihr seid grausame, grausame Betrüger.« Dobbin vermeinte sicher einen Druck der Hand zu spüren, die Miss Osborne ihm hingehalten hatte.
Er ließ sie etwas bestürzt los. »Betrüger!« sagte er. »Nein, liebe Miss Osborne, nicht alle Männer sind Betrüger. Ihr Bruder ist jedenfalls keiner. George hat Amelia Sedley schon geliebt, als sie noch Kinder waren; kein Reichtum könnte ihn bewegen, eine andere zu heiraten als sie. Soll er sie verlassen? Würden Sie ihm raten, das zu tun?«
Was konnte Miss Jane auf solch eine Frage antworten, zumal sie ihre eigenen besonderen Absichten hegte? Sie konnte nicht antworten, also wich sie aus und sagte:
»Nun schön, wenn Sie kein Betrüger sind, so sind Sie jedenfalls sehr romantisch.« Diese Bemerkung ließ Hauptmann William unangefochten.
Als er schließlich durch noch einige höfliche Redensarten Miss Osborne genügend vorbereitet glaubte, die Neuigkeit zu hören, schenkte er ihr die Wahrheit ein. »George könnte Amelia gar nicht aufgeben – George hat sie geheiratet«, und dann erzählte er ihr die näheren Umstände der Heirat und alles, was wir bereits wissen: daß das arme Mädchen gestorben wäre, hätte ihr nicht ihr Liebhaber die Treue gehalten, daß der alte Sedley von der Heirat nichts habe wissen wollen und daß man sich eine Lizenz verschaffen mußte, daß Joseph Sedley von Cheltenham gekommen sei, um die Braut zur Ehe zu geben, daß sie in Joes Vierspänner nach Brighton gefahren seien, um dort die Flitterwochen zu verleben, und daß
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