Jahrmarkt der Eitelkeit
George auf seine lieben, guten Schwestern rechne, die ihn mit ihrem Vater wieder aussöhnen müßten, denn sie seien doch so treue und zärtliche Mädchen und würden es gewiß tun. Damit verbeugte sich Hauptmann Dobbin und nahm Abschied, nachdem er noch um die (bereitwillig gegebene) Erlaubnis gebeten hatte, sie wieder besuchen zu dürfen. Er vermutete ganz richtig, daß es kaum fünf Minuten dauern würde, bis die anderen Damen die Neuigkeit, die er gebracht hatte, erfahren würden.
Kaum war er aus dem Hause, so stürzten Miss Maria und Miss Wirt zu Miss Osborne herein, und die junge Dame teilte ihnen nun das ganze wunderbare Geheimnis mit. Dabei muß ich jedoch den beiden Schwestern die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß keine sehr böse war. Eine Entführung hat etwas an sich, daß nur wenige Damen ernstlich böse darüber sein können, und wegen des Mutes, den Amelia gezeigt hatte, indem sie ihre Zustimmung zu der Verbindung gab, stieg sie sogar in ihrer Achtung. Während sie die Geschichte besprachen und schwatzten und überlegten, was Papa wohl tun und sagen würde, dröhnte an der Tür ein lautes Klopfen, ähnlich einem rächenden Donnerschlag, und ließ die Verschwörerinnen zusammenfahren. Das muß Papa sein, dachten sie. Aber er war es nicht. Es war nur Mr. Frederick Bullock, der versprochen hatte, die Damen in eine Blumenausstellung zu begleiten, und deshalb aus der City kam.
Wie man sich wohl denken kann, wurde diesem Herrn das Geheimnis nicht lange vorenthalten. Als er es dann erfuhr, zeigte sein Gesicht jedoch eine Verwunderung, die ganz und gar verschieden war von dem sentimentalen Staunen in der Miene der Schwestern. Mr. Bullock war ein Mann von Welt und der jüngere Teilhaber einer reichen Firma. Er wußte, was das Geld bedeutet, und kannte dessen Wert. In seinen kleinen Augen blitzte ein schöner Strahl der Erwartung auf, und er lächelte seiner Maria zu bei dem Gedanken, daß sie durch diesen Narrenstreich von Mr. George dreißigtausend Pfund mehr wert werden könnte, als er je mit ihr zu bekommen gehofft hatte.
»Bei Gott, Jane«, sagte er und musterte selbst die ältere Schwester mit einigem Interesse, »Eels wird es nun leid tun, daß er sich von Ihnen losgesagt hat. Sie können noch einmal ein Fünfzigtausendpfünder werden.«
Bis jetzt hatten die Schwestern noch nie an die Geldfrage gedacht, aber Fred Bullock neckte sie deswegen bei ihrem Vormittagsausflug mit anmutiger Lustigkeit, und als sie nach diesem morgendlichen Vergnügen zum Essen zurückfuhren, waren sie in ihrer eigenen Achtung nicht wenig gestiegen. Der verehrte Leser soll nun diese Selbstsucht nicht etwa als unnatürlich betrachten. Erst heute morgen bemerkte der Verfasser dieser Geschichte, während er auf dem Omnibus aus Richmond saß, beim Pferdewechsel, wie drei schmutzige kleine Kinder in einer Pfütze freundschaftlich und glücklich miteinander spielten. Zu diesen dreien gesellte sich noch ein kleines Mädchen. »Polly«, sagte es, »deine Schwester hat einen Penny bekommen.« Sofort sprangen die Kinder von ihrer Pfütze auf und rannten davon, um Peggy den Hof zu machen. Und als der Omnibus davonfuhr, sah ich Peggy mit dem Kindergefolge würdevoll auf den Stand einer Süßwarenhändlerin in der Nähe zuschreiten.
Fußnoten
1 Lehre von der heilenden Wirkung magnetischer Kräfte, die angeblich dem Menschen innewohnen; benannt nach ihrem Begründer, dem deutschen Theologen und Arzt Franz Mesmer (1734-1815).
24. Kapitel
In dem Osborne die Familienbibel herunterlangt
Nachdem Dobbin die Schwestern vorbereitet hatte, eilte er nach der City, um den letzten und schwierigsten Teil seiner Aufgabe zu erfüllen. Der Gedanke, dem alten Osborne gegenüberzustehen, machte ihn nicht wenig unruhig, und mehr als einmal dachte er, er wolle es den jungen Damen überlassen, ihm das Geheimnis mitzuteilen, das sie – wie er wohl wußte – nicht lange für sich behalten konnte. Aber er hatte George versprochen, ihm zu berichten, wie der alte Osborne die Nachricht aufgenommen habe, und deshalb ging er in die City zum Kontor Osbornes in der Thames Street und gab dort ein Billett für Mr. Osborne ab, in dem er ihn um eine halbstündige Unterredung betreffs seines Sohnes George bat. Dobbins Bote kam aus dem Büro zurück mit Empfehlungen Mr. Osbornes, der sich glücklich schätzen würde, den Hauptmann gleich zu sprechen. Dobbin machte sich daher auf, ihm gegenüberzutreten.
Der Hauptmann, mit der Aussicht, ein Geheimnis zu enthüllen,
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