Jahrmarkt der Eitelkeit
König von Spanien 6 erhalten hatte.
Lord Steyne war in früheren Jahren wegen seines kühnen und glücklichen Spieles bekannt gewesen. Er hatte mit Mr. Fox zwei Tage und Nächte beim Hasardspiel gesessen. Den erlauchtesten Persönlichkeiten im Reich hatte er Geld abgewonnen und seine Marquiswürde, so hieß es, am Spieltisch gewonnen. Er liebte aber keine Anspielungen auf diese fredaines 7 . Rebekka sah, daß sich ein Unwetter auf seiner Stirn zusammenbraute. Sie stand von ihrem Sofa auf und nahm ihm mit einem kleinen Knicks die Kaffeetasse aus der Hand. »Ja«, sagte sie, »ich muß mir einen Wachhund anschaffen, aber Sie wird er nicht anbellen.«
Damit ging sie in den anderen Salon, setzte sich ans Klavier und fing an, mit so bezaubernder und ergreifender Stimme französische Liedchen zu singen, daß ihr der besänftigte Edelmann eilig in das Zimmer folgte, und schon konnte man ihn sehen, wie er, über sie geneigt, mit dem Kopf den Takt nickte.
Unterdessen spielte Rawdon mit seinem Freund Ecarté, bis sie genug hatten. Der Oberst gewann. Aber wenn er auch noch so viel und häufig gewann, so mußten doch Nächte wie diese, die es mehrmals in der Woche gab, für den ehemaligen Gardisten recht langweilig sein, denn seiner Frau allein galt alle Unterhaltung und Bewunderung, während er schweigend außerhalb des Kreises saß und von den Scherzen, Anspielungen und mystischen Äußerungen nichts verstand.
»Wie geht es Mrs. Crawleys Mann?« pflegte Lord Steyne ihn zu fragen, wenn sie sich trafen, und das war jetzt sein Lebensberuf. Er war nicht mehr Oberst Crawley. Er war Mrs. Crawleys Ehemann.
Wenn bis jetzt noch nichts über den kleinen Rawdon gesagt worden ist, so nur deshalb, weil er sich irgendwo in einer Bodenkammer verborgen hat oder die Treppe hinab in die Küche gekrochen kam, um Gesellschaft zu suchen. Seine Mutter nahm fast nie Notiz von ihm. Er verbrachte die Tage mit seiner französischen Bonne, solange diese bei Familie Crawley blieb, und als die Französin fortging, erbarmte sich in der Kammer nebenan ein Dienstmädchen des in der Einsamkeit der Nacht weinenden kleinen Burschen, holte ihn aus dem abgeschiedenen Kinderzimmer in ihr Bett und tröstete ihn.
Rebekka, Lord Steyne und ein paar andere Herren tranken eines Abends nach der Oper im Salon Tee, als sein Weinen sich oben vernehmen ließ. »Es ist mein Cherub, der nach seiner Amme schreit«, sagte sie, machte aber keine Anstalten, nach dem Kinde zu sehen. »Beunruhigen Sie Ihre Gefühle nur nicht und sehen Sie etwa nach ihm!« sagte Lord Steyne höhnisch. »Pah!« erwiderte sie mit einer Spur von Erröten, »er wird sich schon in den Schlaf schreien«, und sie fuhren in ihrem Gespräch über die Oper fort.
Rawdon hatte sich jedoch hinaufgeschlichen, um nach seinem Sohn und Erben zu sehen, und kam zu der Gesellschaft zurück, als er feststellte, daß die gute Dolly das Kind tröstete. Das Ankleidezimmer des Obersten befand sich in diesen oberen Regionen, und dort traf er den Knaben heimlich. Sie unterhielten sich jeden Morgen, wenn er sich rasierte, und Rawdon junior saß dann auf einem Kasten neben seinem Vater und sah der Handlung mit nie enden wollender Freude zu. Sie waren beide gute Freunde. Der Vater brachte ihm oft Konfekt vom Dessert hoch und versteckte es in einem bestimmten alten Epaulettenkasten. Dort suchte das Kind die Süßigkeiten und lachte vor Vergnügen, wenn es den Schatz entdeckte – lachte aber nicht zu laut, denn Mama schlief unten und durfte nicht gestört werden. Sie ging erst sehr spät zu Bett und stand selten vor Mittag auf.
Rawdon kaufte dem Jungen eine Menge Bilderbücher und stopfte das Kinderzimmer mit Spielzeug voll. Die Wände waren mit Bildern bedeckt, die sein Vater mit barem Geld gekauft und eigenhändig aufgeklebt hatte. Wenn er nicht Mrs. Rawdon in den Park begleiten mußte, saß er hier stundenlang bei seinem Sohn, der dann auf seiner Brust ritt und an seinem großen Schnurrbart riß, als wären es Zügel. Ganze Tage brachte er in unermüdlichem Spiel mit ihm zu. Das Zimmer war niedrig, und einmal, als das Kind noch nicht fünf Jahre alt war, warf der Vater es so wild in die Höhe, daß der arme kleine Bursche heftig mit dem Kopf gegen die Decke stieß, worauf ihn der Vater vor Schreck über das Unglück fast fallen ließ.
Rawdon junior hatte das Gesicht schon zu einem entsetzlichen Gebrüll verzogen, und die Heftigkeit des Stoßes berechtigte ihn auch dazu. Als er aber gerade anfangen wollte, unterbrach
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