Jahrmarkt der Eitelkeit
ihn der Vater: »Um Gottes willen, Rawdy, weck die Mama bloß nicht!« Hierauf blickte das Kind seinen Vater scharf und mitleidig an, biß sich auf die Lippen, ballte die Hände und gab keinen Laut von sich. Rawdon erzählte diese Geschichte jedermann in den Klubs, in der Offiziersmesse und in der ganzen Stadt. »Bei Gott, Sir«, erklärte er allgemein seinem Publikum, »was für ein mutiger Bursche mein Junge ist, was für ein Prachtkerl! Ich habe ihn mit dem Kopfe fast durch die Decke gestoßen, bei Gott, aber er hat nicht geschrien, weil er die Mutter nicht wecken wollte.«
Manchmal, etwa ein- oder zweimal in der Woche, besuchte die Dame die oberen Regionen, wo das Kind wohnte. Sie kam wie eine lebendige Gestalt aus dem »Magazin des Modes«, freundlich lächelnd, in den schönsten neuen Kleidern, Handschuhen und Stiefelchen. Wundervolle Schärpen, Spitzen und Juwelen glänzten an ihr. Stets hatte sie einen neuen Hut auf, auf dem ewig Blumen blühten oder prächtige Straußenfedern, weich und weiß wie Kamelien, schaukelten. Sie nickte dem kleinen Jungen, der von seinem Essen oder den Soldaten aufblickte, die er gerade malte, ein paarmal gnädig zu. Wenn sie das Zimmer verließ, so schwebte darin ein Hauch von Rosen oder irgendein anderer zauberischer Duft. In seinen Augen war sie ein überirdisches Wesen, höher als sein Vater und die ganze Welt, das nur aus der Ferne angebetet und bewundert werden durfte. Es war für ihn ein schauerliches Glück, mit dieser Dame im Wagen auszufahren. Er saß dann auf dem Rücksitz und wagte kein Wort zu sprechen, sondern starrte nur mit großen Augen auf die wundervoll geputzte Prinzessin ihm gegenüber. Herren auf glänzenden stolzen Pferden sprengten heran und lächelten und sprachen mit ihr. Wie ihre Augen sie alle anstrahlten. Mit bebender Hand winkte sie ihnen graziös zu, wenn sie vorüberritten. Wenn er mit ihr ausfuhr, so hatte er seinen neuen roten Anzug an; zu Hause war sein alter brauner Leinenkittel gut genug. Zuweilen, wenn sie fort war und Dolly das Bett machte, ging er in das Zimmer seiner Mutter; dieses erschien ihm wie die Wohnstätte einer Fee, ein geheimnisvoller Ort der Pracht und des Entzückens. Dort, in der Garderobe, hingen jene wundervollen Kleider – blaue, rosa und bunte. Da, auf dem Toilettentisch, standen der Schmuckkasten mit dem silbernen Schloß und die geheimnisvolle Bronzehand, über und über funkelnd von hundert Ringen. Hier war der Drehspiegel, dieses Wunderwerk der Kunst, in dem er gerade sein eigenes erstauntes Gesicht erblicken konnte und Dollys Bild (seltsam verzerrt und als ob es von der Decke käme), wie sie die Kissen aufschüttelte und glattstrich. O du armer, einsamer, unwissender Knabe! Auf den Lippen und im Herzen von kleinen Kindern ist Mutter der Name für Gott, und hier war einer, der einen Stein anbetete!
Rawdon Crawley nun war zwar ein lockerer Vogel, trug aber männliche Gefühle der Zuneigung im Herzen und war noch in der Lage, ein Kind und eine Frau zu lieben. Er fühlte für Rawdon junior eine große geheime Zärtlichkeit, was Rebekka nicht entging, obwohl sie es ihm gegenüber nie erwähnte. Sie ärgerte sich nicht darüber, denn dazu war sie zu gutmütig. Aber sie verachtete ihn deswegen noch gründlicher. Er schämte sich irgendwie wegen dieser väterlichen Weichherzigkeit und verbarg sie vor seiner Frau. Nur wenn er mit dem Knaben allein war, überließ er sich dieser Empfindung.
Oft ging er morgens mit ihm in die Ställe und in den Park. Der kleine Lord Southdown, ein sehr gutmütiger Mensch, der seinen Hut vom Kopf verschenkt haben würde und dessen Hauptbeschäftigung im Leben darin bestand, Kleinigkeiten zu kaufen und sie später wieder zu verschenken, kaufte dem kleinen Burschen ein Pony, nicht viel größer als eine ausgewachsene Ratte, wie der Geber sagte, und dem großen Vater des jungen Rawdon machte es Spaß, den Knaben auf diesen kleinen schwarzen Shetlandzwerg zu setzen und neben ihm her im Park spazierenzugehen. Es machte ihm auch Spaß, sein altes Quartier und seine alten Kameraden von der Garde in Knightsbridge zu sehen, denn er hatte angefangen, mit etwas wie Bedauern an seine Junggesellenzeit zurückzudenken. Die alten Soldaten freuten sich, ihren früheren Offizier wiederzusehen und den kleinen Oberst hätscheln zu können. Oberst Crawley fand das Speisen in der Offiziersmesse mit seinen Kameraden sehr vergnüglich. »Zum Henker«, pflegte er zu sagen, »ich bin nicht gescheit genug für sie, das
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