Jahrmarkt der Eitelkeit
Gespräch über die Schriften und ihr eigenes Seelenheil, wodurch sie hoffte, ihren Körper vor der Medizin zu bewahren. Nachdem jedoch das religiöse Thema erschöpft war, wollte Lady Macbeth Beckys Zimmer nicht verlassen, ehe sie nicht auch das Glas mit ihrem Nachttrunk geleert hatte. Die arme Mrs. Rawdon mußte also tatsächlich einen dankbaren Blick zeigen und die Medizin unter der Nase der unerbittlichen alten Gräfin hinunterschlucken, die dann endlich ihr Opfer mit einem Segenswunsch verließ.
Der Trank hatte Mrs. Rawdon nicht sonderlich erquickt. Sie sah recht unwohl aus, als Rawdon eintrat und hörte, was geschehen war; seine Lachsalve ertönte so laut wie gewöhnlich, als Becky mit dem ihr angeborenen Humor, wenn auch auf ihre eigenen Kosten, davon berichtete, wie sie Lady Southdown zum Opfer gefallen war. Lord Steyne und der Sohn der Lady in London lachten noch oft über die Geschichte, nachdem Rawdon und seine Frau zu ihrer Wohnung in Mayfair zurückgekehrt waren. Becky spielte ihnen die ganze Szene vor, sie setzte eine Nachthaube auf und zog ein Nachthemd an, hielt eine lange Predigt in echt pietistischer Manier und ließ sich über die Vortrefflichkeit der Arznei aus, die sie scheinbar verordnete, mit einem so gut nachgeahmten Ernst, daß man wirklich hätte glauben können, es sei die römische Nase der Gräfin, durch die sie schnüffelte. »Spielen Sie doch bitte Gräfin Southdown und das Abführmittel«, war der ewige Schlachtruf der Gesellschaft in Beckys kleinem Salon in Mayfair, und zum erstenmal in ihrem Leben trug die verwitwete Gräfin Southdown etwas zur Unterhaltung bei.
Sir Pitt, der die Achtung und Ehrerbietung, die ihm Rebekka in früherer Zeit entgegenbrachte, nicht vergessen hatte, war ihr ganz wohlgesinnt. Die Heirat, so unbesonnen sie auch war, hatte auf Rawdon doch einen guten Einfluß ausgeübt. Das merkte man deutlich an dem veränderten Benehmen und der neuen Lebensweise des Obersten – und hatte die Verbindung nicht letzten Endes Pitts Glück bewirkt? Der schlaue Diplomat lächelte in sich hinein, wenn er sich gestand, daß er ihr sein Vermögen verdankte und daß er eigentlich nichts dagegen sagen dürfte. Seine Befriedigung wurde weder durch Rebekkas Bemerkungen noch durch ihr Benehmen oder ihre Unterhaltung beeinträchtigt.
Sie verdoppelte die Ehrerbietung, die ihn früher bezaubert hatte, und stellte seine Redegabe in ein so günstiges Licht, daß Pitt selbst darüber erstaunt war. Stets geneigt, seine eigenen Talente wertzuschätzen, bewunderte er sie um so mehr, wenn Rebekka ihn darauf aufmerksam machte. Ihrer Schwägerin konnte Rebekka sehr leicht beweisen, daß Mrs. Bute Crawley die Heirat zustande gebracht hatte, die sie später so sehr verleumdete, und daß Mrs. Butes Habsucht alle die gottlosen Gerüchte über Rebekka erfand, weil sie hoffte, damit Miss Crawleys gesamtes Vermögen zu erhalten und Rawdon der Gunst seiner Tante zu berauben. »Es ist ihr gelungen, uns arm zu machen«, sagte Rebekka mit einer Miene engelhafter Ergebung, »wie könnte ich aber einer Frau böse sein, die mir einen der besten Männer der Welt verschafft hat? Und ist nicht ihre Habgier genügend bestraft worden durch das Scheitern ihrer eigenen Hoffnungen und den Verlust des Vermögens, worauf sie so großen Wert legte? Arm!« rief sie. »Teuerste Lady Jane, was kümmert uns die Armut! Ich bin von Kindheit auf daran gewöhnt und bin dankbar, daß Miss Crawleys Geld dazu verwendet wurde, den Glanz der edlen alten Familie wiederherzustellen, zu der zu gehören ich so stolz bin. Ich bin überzeugt, daß Sir Pitt einen viel besseren Gebrauch davon machen wird, als Rawdon es getan hätte.«
All diese Reden wurden Pitt von der treuesten aller Gemahlinnen hinterbracht und erhöhten noch den günstigen Eindruck, den Rebekka gemacht hatte. Es ging sogar so gut, daß Sir Pitt drei Tage nach dem Begräbnis, als die Familie beim Essen saß und er als Oberhaupt das Geflügel zerlegte, zu Mrs. Rawdon sagte: »E-hm! Rebekka, darf ich Ihnen einen Flügel geben?« – Worte, die die Augen der kleinen Frau vor Freude funkeln ließen.
Während Rebekka die obenerwähnten Pläne und Hoffnungen verfolgte und Pitt Crawley die Begräbnisfeierlichkeiten und andere Angelegenheiten seiner künftigen Größe und Würde ordnete, während Lady Jane im Kinderzimmer beschäftigt war, soweit es ihre Mutter zuließ, während die Sonne auf- und unterging und die Turmglocke des Schlosses wie gewöhnlich zum Essen und Beten
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