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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Wohlleben den Menschen nicht ehrlich macht, so hält es ihn doch wenigstens auf der Bahn des Rechts. Ein vom Schildkrötenmahl kommender Alderman wird nicht aus der Kutsche steigen, um eine Hammelkeule zu stehlen; aber man lasse ihn hungern und warte ab, ob er nicht einen Laib Brot mitgehen heißt. Becky tröstete sich damit, daß sie auf diese Weise die Glücksfälle gegeneinander abwog und die Verteilung des Guten und Bösen in der Welt ausglich.
    Sie suchte die alten Spazierwege, die alten Felder und Wälder, die Wäldchen, Teiche und Gärten und die Zimmer des alten Hauses, wo sie vor sieben Jahren viele Monate zugebracht hatte, alle wieder auf. Sie war damals jung gewesen oder doch vergleichsweise, denn sie konnte sich keiner Zeit entsinnen, wo sie richtig jung gewesen war – aber sie gedachte ihrer Gefühle und Gedanken vor sieben Jahren und verglich sie mit ihren jetzigen, nun, da sie die Welt gesehen hatte und mit vornehmen Leuten lebte und weit über ihre ursprüngliche bescheidene Stellung hinausgewachsen war.
    Ich habe mich hochgearbeitet, weil ich Verstand besitze und fast die ganze Welt sonst aus Narren besteht, dachte Rebekka. Jetzt könnte ich gar nicht mehr zurück zu jenen Leuten, die ich in meines Vaters Atelier traf. Jetzt erscheinen Lords mit Orden und Sternen an meiner Tür statt armer Künstler mit Tabakspäckchen in der Tasche. Ich habe einen Gentleman zum Mann und eine Grafentochter zur Schwägerin in demselben Haus, wo ich noch vor ein paar Jahren kaum etwas Höheres als ein Dienstbote war. Stehe ich aber jetzt besser in der Welt als damals, da ich die Tochter des armen Malers war und den Krämer an der Ecke um Zucker und Tee beschwatzte? Angenommen, ich hätte Francis geheiratet, der mich so liebte, wäre ich dann ärmer gewesen als jetzt? Ich wollte, ich könnte meine Stellung in der Welt und alle meine Verwandten gegen eine hübsche Summe in dreiprozentigen Staatspapieren vertauschen. Becky empfand die Eitelkeit aller menschlichen Beziehungen so stark, daß sie ihren Anker lieber in diesen sicheren Gründen ausgeworfen hätte.
    Es mag ihr vielleicht auch einmal durch den Kopf gegangen sein, daß Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Pflichterfüllung auf geradem Wege sie dem Glück wohl ebenso nahegebracht hätten wie der Pfad, den sie beschritt, um es zu erreichen. Aber es ging ihr wie den Kindern in Queen's Crawley, die einen Bogen um das Zimmer machten, worin der Leichnam ihres Vaters lag. Wenn Becky überhaupt jemals diese Gedanken gekommen waren, so ging sie stets darum herum und blickte nicht hin. Sie wich ihnen aus und verachtete sie – oder wandelte wenigstens schon auf dem anderen Pfad, auf dem es kein Zurück mehr gab. Ich für mein Teil glaube, daß die Reue die untätigste menschliche Moralempfindung ist und daher am leichtesten unterdrückt werden kann, wenn sie schon einmal erwacht, aber in den meisten Fällen erwacht sie gar nicht erst. Uns bekümmert das Entdecktwerden und die Vorstellung von Schande und Strafe, aber das Bewußtsein des Unrechts allein macht sehr wenige Menschen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit unglücklich.
    Rebekka verschaffte sich also während ihres Aufenthaltes in Queen's Crawley so viele Freunde unter den Anhängern des ungerechten Mammon, als sie nur zusammenbringen konnte. Lady Jane und ihr Mann nahmen mit den wärmsten Freundschaftsbeteuerungen von ihr Abschied. Sie freuten sich schon auf die Zeit, wo das Familienhaus in der Gaunt Street überholt und verschönert sein würde und sie sich in London treffen könnten. Lady Southdown machte ihr ein Paket voll Medizin zurecht und gab ihr einen Brief an Ehrwürden Lawrence Grills mit, worin sie diesen beschwor, den »Brand«, der das Schreiben überbrachte, »aus dem Feuer zu reißen« 2 . Pitt brachte sie vierspännig bis Mudbury. Dorthin hatte er schon ihr Gepäck nebst einer wahren Wagenladung von Wildbret vorausgeschickt.
    »Wie glücklich wirst du sein, wenn du deinen lieben kleinen Jungen wiedersiehst«, sagte Lady Crawley beim Abschied zu ihrer Verwandten.
    »Oh, so glücklich!« erwiderte Rebekka und schlug ihre grünen Augen zum Himmel auf. Sie war ungeheuer froh, den Ort zu verlassen, und ging doch ungern. Queen's Crawley war zwar entsetzlich langweilig, aber die Luft war doch etwas reiner als die, die sie sonst atmete. Alle waren zwar fade, aber in ihrer Art doch freundlich gewesen. »Das ist alles nur die Folge eines jahrelangen Besitzes von Dreiprozentigen«, sagte sich Becky und hatte damit

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