Jahrmarkt der Eitelkeit
eine bestimmte Pastete, die sie unbedingt selbst hatte zubereiten und ihm zum Mittagessen servieren wollen – eine abscheuliche Pastete.
Außer dem Ragout, das aus Lord Steynes Fasanen von seinem Landsitz Stillbrook zubereitet worden war, kredenzte Becky ihrem Schwager eine Flasche Weißwein, die Rawdon aus Frankreich mitgebracht und für nichts bekommen hatte, wie die kleine Schwindlerin erzählte, während das Getränk, das auf den bleichen Wangen des Baronets ein Feuer entfachte und eine Glut in seinem schwachen Körper, in Wirklichkeit ein guter Weißwein aus dem berühmten Keller des Marquis von Steyne war.
Nachdem er die Flasche petit vin blanc 1 ausgetrunken hatte, reichte sie ihm die Hand und führte ihn hinauf in den Salon. Dort machte sie es ihm auf dem Sofa am Kamin bequem und setzte sich zu ihm und lauschte mit zärtlichem Interesse seinem Gespräch. Dabei säumte sie ein Hemd für ihren lieben kleinen Knaben. Immer wenn Mrs. Rawdon besonders demütig und tugendhaft erscheinen wollte, dann kam dieses Hemdchen aus ihrem Handarbeitskasten hervor. Es war für Rawdon jedoch, lange bevor es fertig war, zu klein geworden.
Rebekka hörte Pitt also zu, sprach mit ihm, sang ihm vor, schmeichelte ihm und lockte ihn, so daß er täglich lieber von seinen Anwälten in Gray's Inn zu dem lodernden Feuer in der Curzon Street zurückkehrte, eine Freude, an der auch die Männer des Gesetzes teilhatten, denn Pitts bombastische Reden waren schier endlos. Als er abreiste, empfand er direkt Abschiedsschmerz. Wie hübsch sie aussah, als sie ihm von ihrem Wagen aus Kußhändchen zuwarf und ihr Taschentuch schwenkte, als er seinen Platz in der Postkutsche eingenommen hatte! Einmal führte sie das Taschentuch sogar an die Augen. Als die Kutsche abfuhr, zog er die Seehundsmütze über das Gesicht, sank zurück und dachte darüber nach, wie sie ihn achtete und daß er es verdiente und daß Rawdon ein einfältiger, langweiliger Bursche sei, der seine Frau nicht halb zu schätzen wisse, und wie stumm und dumm seine eigene Frau sei, verglichen mit der glänzenden, kleinen Becky. Becky hatte vielleicht selbst all diese Dinge angedeutet, aber so feinfühlig und zart, daß man kaum wußte, wann oder wo. Ehe sie sich trennten, war noch beschlossen worden, daß das Haus in London für die nächste Saison neu instand gesetzt werden sollte und daß sich die Familien der Brüder zu Weihnachten wieder auf dem Lande treffen sollten.
»Ich wünschte, du hättest ihm ein bißchen Geld aus der Tasche gezogen«, sagte Rawdon verstimmt zu seiner Frau, als der Baronet fort war. »Ich würde gern dem armen Raggles etwas geben, zum Henker, wenn es nicht wahr ist. Weißt du, es ist nicht recht, wenn wir dem Alten sein ganzes Geld vorenthalten; es würde vielleicht unangenehm werden, und er könnte sein Haus jemand anders vermieten.«
»Sag ihm«, entgegnete Becky, »daß alle bezahlt werden, sobald Sir Pitts Angelegenheiten geordnet sind, und gib ihm eine Kleinigkeit als Anzahlung. Hier ist ein Scheck, den uns Sir Pitt für den Jungen hiergelassen hat.« Mit diesen Worten nahm sie aus ihrem Beutel ein Papier, das ihr Schwager ihr für den kleinen Sohn und Erben des jüngeren Zweiges der Familie gegeben hatte, und reichte es ihrem Mann.
In Wirklichkeit hatte sie selbst schon sehr vorsichtig das Gelände sondiert, auf das sie sich nach dem Wunsch ihres Mannes wagen sollte, es war ihr aber zu unsicher erschienen. Bei der leisesten Andeutung von Geldschwierigkeiten war Sir Pitt Crawley erschreckt hochgefahren und hatte eine lange Rede gehalten, in der er erklärte, wie bedrängt seine eigene Geldlage sei, daß die Pächter nicht zahlen wollten, daß ihn die Angelegenheiten seines Vaters und die Dinge, die mit dem Ableben des alten Herrn zusammenhingen, sehr viel gekostet hätten und daß er Hypotheken abzahlen wolle und daß die Konten bei seinen Bankiers und Agenten schon überzogen seien. Pitt Crawley endete damit, daß er einen Kompromiß mit seiner Schwägerin schloß und ihr eine sehr geringe Summe für ihren kleinen Jungen gab.
Pitt wußte, wie arm sein Bruder sein mußte. Es konnte der Beobachtung eines so kühlen und erfahrenen alten Diplomaten nicht entgehen, daß Rawdons Familie nichts besaß, wovon sie leben konnte, und daß man Equipagen und Häuser nicht umsonst halten konnte. Er wußte recht gut, daß er das Geld bekommen oder, besser, sich verschafft hatte, das aller Voraussicht nach seinem jüngeren Bruder hätte zufallen sollen, und
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