Jahrmarkt der Eitelkeit
Halbjahreszinsen beim Kauf eines schwarzen Samtröckchens für den kleinen Rawdon ausgab, der übrigens jetzt für schwarzen Samt fast zu groß geworden war. Er hatte nun eine Größe und ein Alter erreicht, denen Männerkleidung angemessen war.
Er war ein hübscher Knabe mit offenem Gesicht, blauen Augen, lockigem Flachshaar und starken Gliedern, aber großmütig und weichherzig, liebevoll ergeben allen, die gut zu ihm waren: dem Pony, Lord Southdown, der ihm das Pony geschenkt hatte (er erglühte immer vor Freude, wenn er den freundlichen jungen Edelmann sah), dem Reitknecht, der das Pony pflegte, Mary, der Köchin, die ihn abends mit Gespenstergeschichten und Leckerbissen vom Abendessen vollstopfte, der Briggs, die er quälte und auslachte, und besonders seinem Vater, dessen Liebe zu dem Knaben auch merkwürdig zu beobachten war. Hier endete aber wohl der Kreis seiner Zuneigungen, als er etwa acht Jahre alt geworden war. Das schöne Bild der Mutter war nach einer Weile verblaßt. Fast zwei Jahre lang hatte sie kaum ein Wort mit dem Jungen gesprochen. Sie konnte ihn nicht leiden. Er hatte die Masern und den Keuchhusten. Er langweilte sie. Eines Tages war er, angelockt von der Stimme seiner Mutter, die Lord Steyne vorsang, herabgeschlichen und stand auf dem Treppenabsatz, als sich plötzlich die Tür des Salons öffnete und sie den kleinen Spion entdeckte, der noch vor einem Augenblick verzückt der Musik gelauscht hatte.
Seine Mutter kam heraus und gab ihm ein paar derbe Ohrfeigen. Er hörte drinnen im Zimmer den Marquis lachen (den die freie und offene Schaustellung von Beckys Temperament belustigte) und floh zu seinen Freunden in die Küche hinab und brach dort in kummervolle Tränen aus.
»Es ist ja nicht, weil es weh tut«, schluchzte der kleine Rawdon, »nur – nur ...« Heftiges Schluchzen und ein Strom von Tränen beendeten den Satz. Das Herz des kleinen Jungen blutete. »Warum darf ich sie nicht singen hören? Warum singt sie nicht auch einmal vor mir wie vor dem kahlköpfigen Mann mit den großen Zähnen?«
Diese Äußerungen von Wut und Schmerz stieß er abgerissen hervor. Die Köchin blickte das Hausmädchen an, das Hausmädchen sah schlau den Diener an – die furchtbare Kücheninquisition, die in jedem Hause zu Gericht sitzt und alles weiß, sprach in diesem Augenblick ihr Urteil über Rebekka.
Nach diesem Vorfall wurde die Abneigung der Mutter zum Haß. Der Gedanke, daß das Kind sich im Hause befand, war ihr Vorwurf und Qual zugleich. Sein bloßer Anblick ärgerte sie. Aber auch im Herzen des Knaben erwuchsen Furcht, Zweifel und Widerstand. Vom Tage der Ohrfeigen an waren sie endgültig voneinander getrennt.
Lord Steyne war dem Knaben ebenfalls von Herzen abgeneigt. Wenn sie sich unglücklicherweise begegneten, machte er gegenüber dem Kind sarkastische Verbeugungen oder Bemerkungen oder starrte es wild an. Rawdon starrte ihm dann ebenfalls ins Gesicht und ballte die kleinen Fäuste. Er kannte seinen Feind; von allen Herren, die ins Haus kamen, war dieser es, der ihn am meisten ärgerte. Eines Tages traf ihn der Diener, wie er mit den Fäusten auf Lord Steynes Hut im Vorzimmer einhieb. Der Bediente erzählte dies als einen guten Witz Lord Steynes Kutscher, dieser wiederum Lord Steynes Kammerdiener und dem ganzen Gesindezimmer. Als bald darauf Mrs. Rawdon Crawley im Gaunt-Haus erschien, wußten alle über sie Bescheid oder bildeten sich ein, es zu wissen: der Portier, der das Tor öffnete, die Diener aller Ränge in der Halle und die Lakaien in weißer Weste, die von Treppenabsatz zu Treppenabsatz den Namen des Obersten und Mrs. Rawdon Crawleys ausriefen. Der Mann, der ihr Erfrischungen brachte und hinter ihrem Stuhl stand, hatte ihren Charakter mit dem langen Herrn im buntscheckigen Anzug an seiner Seite besprochen. Bon Dieu! Diese Dienstboteninquisition ist etwas Entsetzliches. Du siehst eine Dame auf einer großen Gesellschaft in einem prächtigen Salon, von treuen Bewunderern umgeben, die funkelnde Blicke austeilt, vollendet gekleidet, frisiert und geschminkt ist und glücklich lächelt. Aber die Entdeckung tritt ihr respektvoll entgegen in Gestalt eines riesigen gepuderten Mannes mit dicken Waden und einem Tablett voll Eis und hinter ihm die Verleumdung (die ebenso verhängnisvoll ist wie die Wahrheit) in Gestalt des unbeholfenen Burschen, der die Waffeln trägt. Madame, Ihr Geheimnis werden diese Männer noch heute abend im Wirtshausklub besprechen. James wird Charles bei einer Pfeife und
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