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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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er empfand ganz sicher geheime Gewissensbisse, die ihn aufforderten, einen Akt der Gerechtigkeit oder, sagen wir, des Ausgleichs gegenüber seinen enttäuschten Verwandten zu vollziehen. Als gerechter, anständiger Mann, nicht ohne Denkvermögen, der seine Gebete sagte und seinen Katechismus kannte und äußerlich seine Pflicht im Leben tat, mußte er fühlen, daß er seinem Bruder etwas zukommen lassen müsse und daß er, moralisch gesehen, Rawdons Schuldner sei.
    In den Spalten der »Times« kann man hier und da seltsame Anzeigen lesen, in denen der Schatzkanzler den Empfang von fünfzig Pfund von A.B. oder zehn Pfund von W.T. bestätigt, als Abzahlung für Steuern, die der erwähnte A.B. oder W.T. schuldet. Das in der öffentlichen Presse zu tun, haben die reuigen Schuldner den Schatzkanzler aufgefordert. Aber sowohl der Kanzler als auch der Leser sind sich zweifellos im klaren, daß der ebenerwähnte A.B. und W.T. nur einen sehr kleinen Teil ihrer wahren Schuld bezahlen und daß der, der Zwanzigpfundnote einschickt, höchstwahrscheinlich Hunderte und sogar Tausende zu zahlen hätte. Dies sind wenigstens meine Gefühle, wenn ich A.B.s oder W.T.s unzulängliche Bußhandlung erblicke. Ich zweifle auch nicht daran, daß Pitt Crawleys Zerknirschung oder, wenn man will, Güte gegenüber seinem jüngeren Bruder, durch den er so viel gewonnen hatte, nur eine sehr geringe Dividende von dem Kapital war, das er Rawdon schuldete. Es gibt viele, die nicht einmal gewillt sind, soviel zu zahlen. Sich vom Gelde zu trennen ist ein Opfer, das über die Kräfte der meisten ordnungsliebenden Menschen hinausgeht. Es gibt kaum einen, der es sich nicht hoch anrechnet, wenn er seinem Nächsten fünf Pfund schenkt. Der Verschwender gibt nicht aus wohlwollender Freude am Geben, sondern aus einem trägen Vergnügen, das er am Ausgeben findet. Er würde sich keinen Genuß versagen, weder seine Opernloge noch sein Pferd, noch seine Diener und nicht einmal das Vergnügen, dem Lazarus die fünf Pfund zu geben. Der Sparsame, welcher gut, weise, gerecht ist und keinem Menschen einen Penny schuldet, wendet sich von einem Bettler ab, feilscht mit dem Droschkenkutscher oder versagt einem armen Verwandten seine Hilfe. Ich weiß nicht, welcher von den beiden egoistischer ist. Das Geld hat in ihren Augen nur verschiedenen Wert.
    Mit einem Wort: Pitt Crawley dachte, daß er etwas für seinen Bruder tun wolle, und meinte dann, er wolle ein andermal daran denken.
    Becky war keine Frau, die zuviel von der Großmut ihrer Nächsten erwartete. Sie war daher mit dem, was Pitt Crawley für sie getan hatte, vollkommen zufrieden. Das Oberhaupt der Familie hatte sie anerkannt. Wenn Pitt ihr nichts geben wollte, so würde er ihr doch eines Tages etwas verschaffen. Wenn sie von ihrem Schwager auch kein Geld bekam, so bekam sie doch etwas, was ebenso gut war wie Geld – Kredit. Raggles beruhigte der Anblick der Einigkeit zwischen den Brüdern, eine kleine Anzahlung und das Versprechen, daß er bald eine größere Summe erhalten würde. Rebekka zahlte Miss Briggs die Weihnachtszinsen für die kleine Summe, die sie von ihr geliehen hatte, mit einer Miene aufrichtiger Freude aus, als ob ihre Kasse von Gold überströmte, und erzählte ihr dabei im tiefsten Vertrauen, daß sie mit Sir Pitt, der als Finanzmann berühmt sei, über Miss Briggs gesprochen habe, und zwar über die vorteilhafte Anlage des restlichen Kapitals von Miss Briggs. Sir Pitt habe nach reiflichen Überlegungen eine Möglichkeit gefunden, wie die Briggs ihr Geld sicher und vorteilhaft anlegen könnte. Er nehme besonderen Anteil an ihr, als einer alten Freundin der seligen Miss Crawley und der ganzen Familie, und lange bevor er die Stadt verlassen habe, habe er empfohlen, sie solle das Geld zur sofortigen Verfügung halten, um die Aktien, die Sir Pitt im Auge habe, bei günstiger Gelegenheit kaufen zu können. Die arme Miss Briggs war für diesen Beweis von Sir Pitts Aufmerksamkeit sehr dankbar. Es kam so unerwartet, sagte sie, sie habe nie daran gedacht, ihr Geld aus den Staatspapieren zu ziehen. Die Freundlichkeit seines Anerbietens wurde noch durch das Taktgefühl, mit dem es gemacht wurde, erhöht; sie versprach, sofort ihren Anwalt aufzusuchen, und ihr kleines Kapital im richtigen Augenblick bereit zu haben.
    Diese würdige Dame war Rebekka so dankbar für die Freundlichkeit bei der Angelegenheit und auch ihrem großmütigen Wohltäter, dem Oberst, daß sie ausging und einen großen Teil ihrer

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