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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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befanden. Es waren Briefe von zu Hause mit einem früheren Poststempel als die letzten, und Major Dobbin erkannte darunter die Handschrift seiner Schwester. Sie beschrieb die Briefe an ihren Bruder stets kreuz und quer und sammelte alle möglichen schlimmen Nachrichten, die sie nur zusammenbringen konnte, schalt ihn aus und hielt ihm mit schwesterlicher Freimütigkeit Strafpredigten, die ihn, nachdem der »liebste William« eine ihrer Episteln gelesen hatte, für einen Tag elend machten. Um die Wahrheit zu sagen, beeilte sich der »liebste William« nicht, das Siegel auf Miss Dobbins Brief zu erbrechen, sondern wartete auf eine besonders günstige Stunde und Stimmung dazu. Er hatte ihr überdies vor vierzehn Tagen geschrieben und sie gescholten, daß sie Mrs. Osborne so alberne Geschichten erzähle, und er schickte Amelia einen Antwortbrief, worin er sie über die Gerüchte, die von ihm in Umlauf seien, aufklärte und ihr versicherte, daß er gegenwärtig keinerlei Absichten habe, seinen Stand zu ändern.
    Ein paar Tage nach der Ankunft des zweiten Briefpäckchens hatte der Major den Abend recht heiter bei Lady O'Dowd verbracht, und Glorvina glaubte, daß er mit mehr als gewöhnlicher Aufmerksamkeit dem Lied »Wo sich die Wasser treffen«, dem »Sängerknaben« und einigen anderen Gesängen lauschte, mit denen sie ihn beglückte. In Wirklichkeit hörte er jedoch ebensowenig auf Glorvina wie auf das Heulen der Schakale im Mondschein draußen, und sie täuschte sich wie immer. Nachdem er seine Partie Schach mit ihr gespielt hatte (Lady O'Dowds Abendvergnügen bestand im Cribbage 3 mit dem Regimentsarzt), nahm Major Dobbin zur gewohnten Stunde Abschied von der Familie des Obersten und begab sich nach Hause.
    Dort lag vorwurfsvoll der Brief seiner Schwester auf dem Tisch. Er ergriff ihn, etwas beschämt über seine Nachlässigkeit, und bereitete sich auf eine unangenehme Stunde in Unterhaltung mit dieser unleserlich kritzelnden abwesenden Verwandten vor ... Es mochte etwa eine Stunde vergangen sein, nachdem der Major das Haus des Obersten verlassen hatte. Sir Michael schlief den Schlaf der Gerechten, Glorvina hatte ihre schwarzen Locken in die unzähligen kleinen Papierstückchen gewickelt, mit denen sie sie abends stets zu fesseln pflegte, auch Lady O'Dowd hatte ihr Bett im ehelichen Schlafzimmer im Erdgeschoß aufgesucht und die Moskitovorhänge um ihr schöne Gestalt gestopft, als die Wache am Tor des Kommandeurgebäudes Major Dobbin im Mondlicht erblickte, wie er mit schnellen Schritten aufgeregt dem Hause zueilte. Er ging an der Schildwache vorüber und trat an die Fenster von O'Dowds Schlafzimmer.
    »O'Dowd, Oberst!« schrie Dobbin mehrmals.
    »Himmel, Major!« rief Glorvina und steckte den lockenwickelgeschmückten Kopf aus dem Fenster.
    »Was ist denn los, Dob, mein Junge?« fragte der Oberst, der erwartete, daß Feuer in der Station ausgebrochen oder Marschbefehl vom Hauptquartier gekommen sei.
    »Ich – ich muß Urlaub haben. Ich muß nach England gehen, in den dringendsten Privatangelegenheiten«, sagte Dobbin.
    Gütiger Himmel! Was mag bloß geschehen sein, dachte Glorvina und zitterte mit allen Papierröllchen.
    »Ich muß abreisen – jetzt – heute nacht noch«, fuhr Dobbin fort. Der Oberst stand auf und kam heraus, um mit ihm zu reden.
    In der Nachschrift zu Miss Dobbins kreuz und quer beschriebenem Brief war der Major eben zu einem Absatz gekommen, der folgendermaßen lautete:

    Ich bin gestern zu Deiner alten Bekannten, Mrs. Osborne, gefahren. Du kennst die erbärmliche Gegend, in der sie seit dem Bankrott wohnen. Mr. S. ist nach einem Messingschild an der Tür seiner Hütte (anders kann man sie nicht nennen) Kohlenhändler. Der kleine Junge, Dein Patensohn, ist gewiß ein hübsches Kind, aber vorlaut und oft ungezogen und starrköpfig. Wir haben uns aber, wie Du es wünschtest, um ihn gekümmert und ihn seiner Tante, Miss O., vorgestellt, der er ganz gut gefallen hat. Vielleicht ließe sich sein Großpapa – nicht der bankrotte, der ist fast schwachsinnig, sondern Mr. Osborne vom Russell Square – bewegen, sich gegenüber dem Kind Deines Freundes, seines irrenden, starrköpfigen Sohnes, erweichen zu lassen. Amelia wird nicht abgeneigt sein, ihn aufzugeben. Die Witwe hat sich getröstet und wird einen Geistlichen, Ehrwürden Binny, einen der Unterpfarrer von Brompton, heiraten. Eine armselige Partie. Aber Mrs. O. wird alt, ich habe ziemlich viel Grau in ihrem Haar gesehen. Sie war sehr gut gelaunt,

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