Jahrmarkt der Eitelkeit
mit, die die Witwe eifersüchtig und furchtsam betrachtete. Sie fragte ihn ständig, ob er einen Herrn gesehen habe. Nur den alten Sir William, antwortete er, der ihn im Vierspänner herumgefahren habe, und Mr. Dobbin, der am Nachmittag auf dem schönen Braunen angeritten gekommen sei, im grünen Rock mit rosa Halstuch und einer goldknaufigen Peitsche, und der versprochen habe, ihm den Londoner Tower zu zeigen und ihn mit den Surreyhunden mit auf die Jagd zu nehmen. Schließlich erzählte er einmal: »Es war ein alter Herr mit dicken Augenbrauen und einem breitkrempigen Hut und einer großen Kette mit vielen Petschaften da. Er kam, als der Kutscher das graue Pony mit mir auf dem Rasen herumführte. Er hat mich lange angesehen und sehr gezittert. Ich habe dann nach dem Essen ›Mein Nam' ist Norval‹ 2 aufgesagt. Meine Tante hat angefangen zu weinen. Sie weint immer.« So lautete an jenem Abend Georges Bericht.
Amelia wußte nun, daß der Knabe seinen Großvater gesehen hatte, und erwartete fieberhaft einen Vorschlag, der ganz sicher folgen mußte und der auch wirklich ein paar Tage später kam. Mr. Osborne erbot sich in aller Form, den Knaben bei sich aufzunehmen und ihn zum Erben des Vermögens zu machen, das sein Vater hätte erhalten sollen. Er würde Mrs. George Osborne eine Summe aussetzen, so daß sie ein anständiges Auskommen hätte. Wenn Mrs. George Osborne die Absicht habe, wieder zu heiraten, wie Mr. O. gehört habe, so werde er die Unterstützung nicht rückgängig machen. Es verstehe sich aber von selbst, daß das Kind ausschließlich bei seinem Großvater am Russell Square oder an einem Ort, den Mr. O. bestimmen würde, leben müsse. Gelegentlich solle es ihm gestattet werden, Mrs. George Osborne in ihrer Wohnung zu besuchen. Dieser Antrag wurde ihr eines Tages in einem Brief gebracht und vorgelesen, als ihre Mutter nicht zu Hause und ihr Vater, wie gewöhnlich, in der City war.
In ihrem ganzen Leben hatte man sie nur zwei-oder dreimal zornig gesehen, und Mr. Osbornes Anwalt hatte das Glück, sie in dieser Stimmung zu erleben. Als Mr. Poe ihr den Brief nach dem Vorlesen überreichte, stand sie zitternd auf, wurde purpurrot, zerriß das Papier in hundert Schnipsel und trat sie mit Füßen. »Ich wieder heiraten! Ich Geld nehmen, damit ich mich von meinem Kind trenne! Wer wagt es, mich durch einen solchen Vorschlag zu beleidigen! Sagen Sie Mr. Osborne, daß es ein gemeiner Brief ist – ein gemeiner Brief, und ich habe nicht die Absicht, darauf zu antworten. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Sir.« – »Und sie entließ mich mit einer Verbeugung, die der Königin in einer Tragödie würdig gewesen wäre«, sagte der Anwalt, als er die Geschichte berichtete.
Ihre Eltern bemerkten ihre Aufregung an jenem Tage nicht, und sie erzählte auch nichts von der Unterredung. Sie hatten ihre eigenen Angelegenheiten im Kopf, Angelegenheiten, die auch die unschuldige, nichtsahnende Amelia betrafen. Der alte Herr, ihr Vater, war stets in Spekulationen verwickelt. Wir haben gesehen, wie ihm die Projekte der Weingesellschaft und der Kohlengesellschaft fehlschlugen. Er streifte aber immer noch ratlos in der City herum, und dabei kam ihm eines Tages ein neuer Plan in den Sinn, von dem er sich so viel versprach, daß er sich trotz der Vorstellungen von Mr. Clapp darauf einließ. Er wagte dem ehemaligen Angestellten nie zu sagen, wie tief er sich hatte hineintreiben lassen, und da es stets Mr. Sedleys Grundsatz gewesen war, vor den Frauen nicht von Geldsachen zu reden, so hatten sie keine Ahnung von dem Unheil, das auf sie zukam. Aber schließlich mußte der unglückliche alte Herr doch allmählich das Geständnis machen.
Zuerst geriet man mit den Rechnungen des kleinen Haushalts, die sonst wöchentlich bezahlt worden waren, in Rückstand. Die Wechsel aus Indien seien nicht angekommen, erzählte Mr. Sedley seiner Frau mit verstörtem Gesicht. Da sie bisher ihre Rechnungen sehr regelmäßig bezahlt hatte, so wurden ein paar von den Geschäftsleuten, die die arme Dame um Aufschub bitten mußte, sehr ungehalten, während sie Verzögerungen bei unregelmäßigeren Kunden gewöhnt waren. Emmy lieferte ihren Beitrag heiter, ohne weitere Bemerkung ab und damit konnte sich die kleine Familie unter großen Einschränkungen über Wasser halten. Die ersten sechs Monate vergingen noch einigermaßen erträglich, und der alte Sedley hoffte noch immer, daß seine Aktien steigen würden und alles gut gehen müsse.
Am Ende des
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