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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Weggang von Brompton vermachte Amelia Mary alle Einrichtungsgegenstände aus ihrer Wohnung und nahm nur ihre Bilder mit (die beiden Bilder über dem Bett) und ihr Klavier, das kleine alte Piano, das jetzt in ein klägliches, klirrendes Greisenalter gekommen war, das sie aber immer noch liebte, aus Gründen, die nur sie kannte. Sie war noch ein Kind gewesen, als ihre Eltern es ihr geschenkt hatten und sie zum erstenmal darauf spielte. Später war es ihr noch einmal geschenkt worden, wie sich der Leser erinnern wird, als nämlich das Unternehmen ihres Vaters zusammenbrach und das Instrument aus dem Wrack gerettet wurde.
    Als Major Dobbin das Einrichten von Josephs neuem Haus beaufsichtigte – es sollte nach dem Willen des Majors sehr hübsch und bequem werden –, sah er den Wagen aus Brompton mit den Koffern und Schachteln der Auswanderer vom Dorf ankommen. Er freute sich sehr, als er das alte Klavier erblickte, Amelia wollte es in ihrem Wohnzimmer haben – einem netten, kleinen Raum im ersten Stock. Daneben befand sich dann das Zimmer ihres Vaters, wo der alte Herr abends sitzen konnte.
    Als die Träger mit dem alten Musikgerät erschienen und Amelia anordnete, es solle in das erwähnte Zimmer gestellt werden, fühlte sich Dobbin wie im siebenten Himmel.
    »Ich freue mich, daß Sie es behalten haben«, sagte er sehr gefühlvoll. »Ich fürchtete schon, Sie machten sich nichts daraus.«
    »Ich schätze es mehr als alles auf der Welt«, erwiderte Amelia.
    »Wirklich, Amelia?« rief der Major. Zwar hatte er niemals etwas davon erwähnt, aber da er es selbst gekauft hatte, hatte er auch nicht daran gedacht, daß Emmy einen anderen für den Käufer halten könnte. Er glaubte natürlich, sie wisse, daß das Geschenk von ihm gekommen sei. »Wirklich, Amelia?« rief er, und die Frage, die große Frage, zitterte ihm auf den Lippen, als Amelia erwiderte:
    »Wie könnte ich anders – hat
er
es mir nicht geschenkt?«

    »Das wußte ich nicht«, sagte der arme alte Dobbin mit langem Gesicht.
    Emmy fiel zu diesem Zeitpunkt nichts auf, und sie beachtete auch nicht den plötzlich so trübseligen Gesichtsausdruck des ehrlichen Dobbin. Später jedoch dachte sie daran, und nun kam ihr der unaussprechlich schmerzliche und traurige Gedanke, daß William ihr das Klavier geschenkt hatte und nicht George, wie sie sich eingebildet hatte. Es war nicht Georges Geschenk, das einzige von ihrem Geliebten, wie sie geglaubt hatte – das Stück, das sie mehr als alles andere geschätzt hatte, ihre teuerste Relique und ihr größter Schatz. Sie hatte ihm von George erzählt, seine Lieblingslieder darauf gespielt, lange Abende davor gesessen und ihm, so gut es ihr geringes Können gestattete, melancholische Weisen entlockt und stumm über den Tasten geweint. Es war keine Relique von George, es war jetzt wertlos. Als der alte Sedley sie das nächste Mal zum Spielen aufforderte, erwiderte sie, es sei schrecklich verstimmt, sie habe Kopfschmerzen, sie könne nicht spielen.
    Dann machte sie sich aber nach ihrer Gewohnheit Vorwürfe über ihre Gereiztheit und Undankbarkeit und entschloß sich, dem ehrlichen William die Geringschätzung, die sie zwar nicht ihm gegenüber geäußert, aber gegenüber dem Klavier gefühlt hatte, abzubitten. Als sie ein paar Tage später zusammen im Salon saßen und Joseph nach dem Essen behaglich eingeschlafen war, sagte Amelia mit versagender Stimme zu Major Dobbin:
    »Ich muß Sie wegen einer Sache um Verzeihung bitten.«
    »Weswegen?« fragte er.
    »Wegen – wegen des kleinen Tafelklaviers. Ich habe Ihnen nie dafür gedankt, als Sie es mir vor vielen, vielen Jahren noch vor meiner Heirat schenkten. Ich dachte, es käme von jemand anderem. Ich danke Ihnen, William.« Sie reichte ihm die Hand hin, aber das Herz der armen kleinen Frau blutete, und ihre Augen waren natürlich wieder bei der Arbeit.
    William konnte jetzt nicht länger an sich halten.
    »Amelia, Amelia«, begann er. »Es stimmt, ich habe es für Sie gekauft. Ich liebte Sie damals, wie ich Sie noch heute liebe. Ich muß es Ihnen einmal sagen. Ich glaube, von der ersten Minute an, da ich Sie gesehen hatte, habe ich Sie geliebt. Es war, als George mich in Ihr Haus mitnahm, um mir die Amelia zu zeigen, mit der er verlobt war. Sie waren noch ein junges Mädchen, weiß gekleidet, mit langen Locken. Sie kamen singend herab – wissen Sie es noch? –, und wir gingen nach Vauxhall. Seit jener Zeit habe ich nur eine Frau auf der Welt im Sinn gehabt, und das waren

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