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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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gab es in dem bescheidenen Häuschen, worin die Sedleys die letzten zehn Jahre ihres Lebens verbracht hatten, eine traurige Szene. Josephs Wagen (der gemietete, nicht der, der gebaut wurde) kam eines Tages und holte den alten Sedley und seine Tochter ab – für immer. Die Tränen der Wirtin und ihrer Tochter bei dieser Gelegenheit waren so kummervoll und echt, wie sie nur je im Laufe dieser Geschichte vergossen wurden. Sie konnten sich nicht entsinnen, daß Amelia während ihrer langen vertrauten Bekanntschaft auch nur ein einziges böses Wort geäußert hätte. Stets war sie gütig und freundlich gewesen, stets dankbar und sanft. Sogar dann, wenn Mrs. Clapp die Geduld verlor und wegen der Mietzahlung drängte. Als das liebe Geschöpf sie für immer verließ, machte sich die Wirtin bittere Vorwürfe, daß sie je ein rauhes Wort gegen sie gebraucht hatte. Sie vergoß heiße Tränen, als sie mit einem Klebstreifen einen Zettel am Fenster befestigte, auf dem zu lesen stand, daß die so lange bewohnten kleinen Zimmer wieder zu vermieten seien. Nie wieder würden sie solche Mieter bekommen, das stand fest. Die Zukunft bewies die Richtigkeit dieser melancholischen Prophezeiung, und Mrs. Clapp rächte sich für die Verschlechterung der Menschheit, indem sie bei ihren Mietern für Teebüchsen und Hammelkeulen ungeheure Kontributionen erhob. Die meisten von ihnen schalten und brummten. Einige bezahlten nicht, keiner blieb. Die Wirtin bedauerte also mit Recht, daß diese alten, alten Freunde sie verließen.
    Miss Marys Betrübnis bei der Trennung von Amelia war derart, daß ich nicht versuchen werde, sie zu schildern. Sie war von Kindheit an täglich bei ihr gewesen und hatte eine leidenschaftliche Zuneigung für die liebe, gute Dame gefaßt. Als die stattliche Kutsche kam, um Amelia zu neuen Herrlichkeiten zu entführen, sank sie ohnmächtig in die Arme ihrer Freundin, die fast ebenso gerührt war wie das gutmütige Mädchen selbst. Amelia liebte sie wie eine Tochter. Elf Jahre lang war das Mädchen ihre treue Freundin und Gefährtin gewesen. Die Trennung ging ihr wirklich sehr nahe. Man kam natürlich überein, daß Mary Mrs. Osborne oft in dem großen neuen Haus besuchen sollte, aber Mary war überzeugt, daß sie dort nie so glücklich sein könnte wie in ihrem bescheidenen Hüttchen, wie es Miss Clapp in der Sprache ihrer Lieblingsromane ausdrückte.
    Wir wollen hoffen, daß sie damit unrecht hatte. Es hatte für die arme Amelia in dem bescheidenen Hüttchen nur sehr wenige glückliche Tage gegeben. Ein düsteres Schicksal hatte sie dort bedrückt. Nachdem sie das Haus verlassen hatte, wollte sie nie dorthin zurückkehren, und sie wollte auch die Wirtin nicht wiedersehen, die sie tyrannisiert hatte, wenn sie schlechter Laune war oder Geld haben wollte, und sie mit einer kaum erträglicheren plumpen Vertraulichkeit behandelt hatte, wenn sie guter Laune war. Mrs. Clapps Liebedienerei und die widerlichen Komplimente, die sie Emmy machte, als es ihr wieder besser ging, liebte die junge Frau ebensowenig. Die ehemalige Wirtin brach in Bewunderungsrufe über das neue Haus aus und pries jedes einzelne Möbelstück. Sie befühlte Mrs. Osbornes Kleider und schätzte deren Preis. Sie beteuerte, daß für die süße Dame nichts gut genug sei. Über der gemeinen Schmeichlerin, die ihr jetzt den Hof machte, konnte Emmy jedoch nie die üble Tyrannin vergessen, die sie so manches Mal unglücklich gemacht hatte. Wie oft hatte sie um Aufschub betteln müssen, wenn die Miete fällig war, wie oft hatte die Frau Emmys Verschwendungssucht mißbilligt, wenn sie ein paar Leckerbissen für die kränkelnden Eltern gekauft hatte. Sie hatte Amelia in Armut gekannt und hatte sie mit Füßen getreten.
    Niemand hatte jemals von diesen Kümmernissen erfahren, die das Los unserer armen kleinen Frau im Leben waren. Sie hielt sie selbst vor ihrem Vater geheim, dessen Unvorsicht einen großen Teil ihres Elends verschuldet hatte. Sie mußte die Folgen seiner Fehler tragen, und sie war wirklich so ungemein sanft und demütig, daß sie von Natur aus zum Opfer gemacht schien.
    Hoffentlich ist die rauhe Behandlung nun vorbei für sie. Aber da in jedem Kummer ein gewisser Trost liegen soll, so möchte ich erwähnen, daß die arme Mary, als sie nach der Trennung von ihrer Freundin in einem hysterischen Zustand zurückblieb, dem jungen Mann aus der Apotheke zur medizinischen Behandlung anvertraut wurde, unter dessen Fürsorge sie sich bald erholte.
    Bei ihrem

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