Jahrmarkt der Eitelkeit
der Sängerin in hinreißenden Harmonien erhob, nahm ihr Gesicht solch einen Ausdruck staunenden Entzückens an, daß es selbst dem kleinen Fipps, dem blasierten Attaché, auffiel und er, sein Theaterglas auf sie gerichtet, näselte: »Boi Gott, ös tut oinem wörklich wohl, oin Woib zu sehen, das oiner solchen Begoisterung fähig öst.« In der Gefängnisszene, wo Fidelio auf ihren Gatten zustürzt und ruft: »Nichts, nichts, mein Florestan!«, verlor sie die Beherrschung und bedeckte ihr Gesicht mit dem Taschentuch. Sämtliche Damen im Hause schnüffelten bei dieser Szene, und ich nehme an, daß sie mir nur deshalb besonders auffiel, weil es mir bestimmt war, ihre Memoiren zu schreiben.
Am nächsten Tage führte man ein anderes Werk von Beethoven, »Die Schlacht bei Vitoria«, auf. Es fängt mit dem Spottlied auf Marlborough an, um das schnelle Vorrücken des französischen Heeres anzudeuten. Dann kommen Trommeln, Trompeten, Kanonendonner und das Ächzen der Sterbenden und schließlich in einem großartigen anschwellenden Schluß die englische Nationalhymne »Gott schütz den König«.
Es mochte ein reichliches Dutzend Engländer im Theater sein, und beim Erklingen dieser geliebten und bekannten Musik erhoben sich alle Briten, wir jungen Burschen im Parkett, Sir John und Lady Bullminster (die in Pumpernickel ein Haus gemietet hatten, um ihre neun Kinder zu erziehen), der dicke Herr mit dem Schnurrbart, der lange Major in den weißen Leinenhosen und die Dame mit dem kleinen Knaben, denen er soviel Aufmerksamkeit bewies, ja selbst der Diener Kirsch auf der Galerie, von ihren Plätzen und bekannten sich als Angehörige der guten alten britischen Nation. Tapeworm, der Legationssekretär, stand ebenfalls in seiner Loge auf und verbeugte sich und lächelte geziert, als ob er das ganze Königreich repräsentieren wollte. Tapeworm war der Neffe und Erbe des alten Marschalls Tiptoff, der in dieser Geschichte als General Tiptoff kurz vor Waterloo erwähnt worden ist. Er war Oberst des ...ten Regiments, in dem Major Dobbin diente, und starb in diesem Jahr ehrenvoll an einem Gericht von Kiebitzeiern in Aspik. Daraufhin übergab Seine Majestät das Regiment gnädig dem Befehl von Oberst Sir Michael O'Dowd, Komtur des Bathordens, der es durch viele ruhmvolle Schlachten geführt hatte.
Tapeworm mußte Major Dobbin im Hause des Vorgesetzten des Obersten, des Marschalls, getroffen haben, denn er erkannte ihn an diesem Abend im Theater, und der Gesandte Seiner Majestät kam mit der größten Herablassung aus seiner Loge und drückte dem neuen Freund öffentlich die Hand.
»Seht nur den verteufelten Schlauberger von Tapeworm an«, flüsterte Fipps, als er seinen Vorgesetzten vom Parkett aus beobachtete. »Wo sich eine hübsche Frau zeigt, da schleicht er sich sofort ein.« Nun, ich möchte wissen, wozu denn Diplomaten da sind, wenn nicht dafür.
»Habe ich die Ehre, mit Mrs. Dobbin zu sprechen?« fragte der Sekretär mit schmeichlerischem Grinsen.
George brach in lautes Gelächter aus und sagte:
»Beim Zeus, das ist ein guter Witz.« Emmy und der Major erröteten; wir beobachteten sie von unseren Plätzen aus.
»Diese Dame ist Mrs. George Osborne«, sagte der Major, »und dies ist ihr Bruder, Mr. Sedley, ein hervorragender Beamter im bengalischen Zivildienst. Erlauben Sie mir, ihn Eurer Lordschaft vorzustellen.«
Bei dem bezaubernden Lächeln des Lords verlor Joseph beinahe das Gleichgewicht.
»Wollen Sie sich längere Zeit in Pumpernickel aufhalten?« fragte der Lord. »Es ist ein langweiliges Nest, und wir brauchen nette Leute. Wir werden versuchen, es Ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Mr. – ehem – Mrs. – oho – ich werde die Ehre haben, Ihnen morgen in Ihrem Hotel meine Aufwartung zu machen.« Er ging weg mit einem sieghaften Lächeln und einem Blick, der Mrs. Osborne seiner Meinung nach völlig erledigen mußte.
Nach Schluß der Vorstellung trieben sich die jungen Leute im Foyer herum, und wir sahen die höheren Gesellschaften aufbrechen. Die Herzoginwitwe fuhr in ihrer klappernden alten Kutsche ab, begleitet von zwei treuen, verwelkten alten Hofdamen und einem kleinen, verdrießlichen, dürrbeinigen Kammerherrn in einer braunen Perücke und einem grünen, ordenbedeckten Rock, auf dem der Stern und das gelbe Band des Sankt-Michaels-Ordens von Pumpernickel besonders ins Auge fielen. Die Trommeln wirbelten, die Wache präsentierte, und die alte Kutsche fuhr ab.
Dann kam Seine Durchlaucht der Herzog mit
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