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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Fähre, an anderen kann sie eine Mühle treiben. In Pumpernickel selbst hatte die vorvorletzte Durchlaucht, der große und berühmte Viktor Aurelius XIV., eine prachtvolle Brücke erbaut, auf der sich seine eigene Statue erhebt, umgeben von Wassernymphen und Symbolen des Sieges, des Friedens und des Überflusses. Sein Fuß ruht auf dem Nacken eines niedergeworfenen Türken. Die Historie berichtet, daß er bei der Entsetzung Wiens durch Sobieski 1 im Gefecht mit einem Janitscharen diesen durchbohrt habe. Gänzlich unbewegt jedoch von dem Todeskampf des geschlagenen Mohammedaners, der sich unter seinen Füßen in gräßlicher Weise krümmt, lächelt der Fürst milde und deutet mit seinem Feldherrnstab zum Aureliusplatz, wo er angefangen hatte, einen neuen Palast zu erbauen. Hätte der hochherzige Fürst nur die Mittel gehabt, das Gebäude zu vollenden – es wäre ein Wunder seines Zeitalters geworden. Aus Mangel an Bargeld wurde der Bau von Monplaisir (Montblaisir sprechen es die braven Deutschen aus) nicht vollendet. Das Schloß mit Park und Garten befindet sich jetzt in einem ziemlich verfallenen Zustand, und es ist kaum mehr als zehnmal so groß, wie es für den Hofstaat des regierenden Fürsten nötig wäre.
    Die Gärten hätten die von Versailles in den Schatten stellen sollen, und inmitten der Terrassen und Wäldchen stehen noch ein paar große allegorische Wasserkünste, die an Festtagen erstaunlich sprühen und spritzen und einen mit ihrem gewaltigen wäßrigen Aufruhr erschrecken. Es gibt dort auch eine Trophonioshöhle 2 , in der vermittels einer künstlichen Vorrichtung die bleiernen Tritonen 3 nicht nur Wasser speien, sondern auch aus ihren bleiernen Muscheltrompeten ein entsetzliches Stöhnen ertönen lassen. Weiterhin gibt es dort ein Nymphenbad und den Niagarafall, den die Leute aus der Umgebung unaussprechlich bewundern, wenn sie zum Jahrmarkt anläßlich der Eröffnung der Kammer in die Stadt kommen oder zu den Festen, die das glückliche Ländchen immer noch an dem Geburts- oder Hochzeitstage seiner fürstlichen Herrscher feiert.
    Dann kommen sie aus allen Städten des Herzogtums, das sich fast zehn Meilen weit erstreckt – aus Bolkum, das an der Westgrenze Preußen Trotz bietet, aus Grogwitz, wo das Jagdschloß des Fürsten liegt und wo die Pump seine Besitzungen von denen seines Nachbarn, des Fürsten von Potzental, trennt, aus all den kleinen Dörfern, die neben diesen drei großen Städten das glückliche Fürstentum übersäen, und aus den Bauernhöfen und Mühlen entlang der Pump. Sie kommen truppweise in rotem Rock und Samtmütze oder mit Dreispitz und der Pfeife im Mund und strömen in die Residenz und genießen die Freuden des Jahrmarkts und der Festlichkeiten dort. Dann ist das Theater umsonst geöffnet, dann beginnen die Wasserkünste von »Montblaisir« zu spielen (zum Glück sind genug Zuschauer da, denn einer allein würde sich fürchten). Dann kommen Marktschreier und englische Reitkünstler (es ist bekannt, wie Seine Durchlaucht einst von einer Reiterin gefesselt worden war, und man glaubte sogar, la petite vivandière 4 , wie sie genannt wurde, sei eine Spionin in französischen Diensten gewesen). Dem entzückten Volk wird gestattet, alle Zimmer des großherzoglichen Palastes zu durchwandern und die glatten Fußböden, prächtigen Tapeten und die Spucknäpfe an den Türen all der unzähligen Gemächer zu bewundern. Es gibt in »Montblaisir« einen Pavillon, den Aurelius Viktor XV. – ein bedeutender Fürst, aber zu vergnügungssüchtig – errichten ließ. Er soll ein wahres Wunderwerk ausschweifender Eleganz sein. Er ist mit Darstellungen aus der Sage von Bacchus und Ariadne 5 geschmückt, und der Tisch im Zimmer verschwindet oder erscheint mittels einer Winde, so daß der Gesellschaft ohne anwesende Diener aufgewartet wird. Die Herzogin Barbara, Witwe Aurelius' XV., eine strenge und fromme Fürstin aus dem Hause Bolkum, verschloß den Pavillon. Sie war während der glorreichen Minderjährigkeit ihres Sohnes Regentin des Großherzogtums, nachdem ihr Gemahl auf dem Höhepunkt seiner Vergnügungen dahingegangen war.
    Das Theater von Pumpernickel ist in jenem Teil Deutschlands bekannt und berühmt. Es verlor ein wenig, als der gegenwärtige Herzog in seiner Jugend darauf bestand, seine eigenen Opern dort aufführen zu lassen, und eines Tages, als er an einer Probe teilnahm, soll er wütend über das zu langsame Dirigieren des Kapellmeisters aus seinem Orchestersitz aufgesprungen sein

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