Jahrmarkt der Eitelkeit
die schmucken, anspruchslosen lieben alten Opernhäuser in den deutschen Städten, wo auf der einen Seite der Adel weinend und strümpfestrickend sitzt und die Bürgerschaft auf der anderen und wo Seine Durchlaucht der Herzog und die durchlauchtige Familie, alle sehr dick und gutmütig, die große Loge in der Mitte einnehmen und wo das Parkett voll ist von den elegantesten Offizieren mit schlanker Taille und strohgelben Schnurrbärten und einer Tagesgage von siebzehn Pfennig bei vollem Sold. Die Oper bereitete Emmy besonderes Entzücken, und hier wurde sie zum erstenmal in die Wunderwelt Mozarts und Cimarosas 4 eingeweiht. Wir haben schon früher die Vorliebe des Majors für die Musik erwähnt und sein Flötenspiel gerühmt. Sein größtes Vergnügen in der Oper bestand jedoch darin, zu beobachten, wie Emmy von den Klängen hingerissen wurde. Eine neue Welt der Liebe und Schönheit brach über sie herein, als sie diesen göttlichen Kompositionen lauschte. Sie besaß ein feines, empfindliches Gefühl, wie konnte sie daher gleichgültig bleiben, wenn sie Mozart hörte? Die zärtlichen Stellen im »Don Giovanni« riefen eine so heftige Begeisterung in ihr hervor, daß sie sich beim Abendgebet fragte, ob es nicht gottlos sei, so viel Freude zu spüren, wie sie »Vedrai carino« 5 und »Batti, batti« 6 in ihrem sanften kleinen Herzen erweckten. Der Major, den sie als ihren theologischen Ratgeber darüber befragte und der selbst eine fromme und ergebene Seele besaß, erklärte ihr jedoch, daß ihn selbst alles Schöne in der Kunst und in der Natur dankbar und glücklich mache und daß das Vergnügen, das wir empfinden, wenn wir gute Musik hören, die Sterne am Himmel betrachten oder eine schöne Landschaft oder ein wertvolles Bild, eine Gnade sei, für die wir dem Himmel ebenso dankbar sein müßten wie für jede andere weltliche Segnung. Mrs. Amelia erhob einige schwache Einwände, die aus gewissen theologischen Werken wie die »Apfelfrau von Finchley« und anderen dieser Geistesrichtung stammten, mit denen sie während ihres Lebens in Brompton versorgt worden war. Als Antwort erzählte ihr der Major die orientalische Fabel von der Eule, die glaubte, der Sonnenschein sei unerträglich für die Augen und die Nachtigall werde von allen überschätzt.
»Es liegt eben in der Natur des einen, zu singen, und in der des anderen, zu heulen«, sagte er lachend. »Bei der süßen Stimme, die Sie selbst haben, müssen Sie ja zur Partei der Nachtigallen gehören.«
Ich verweile gern bei diesem Lebensabschnitt Amelias und freue mich, daß sie heiter und glücklich war. Bekanntlich hatte sie bisher noch nicht viel von diesem Leben gespürt und noch keine Mittel und Wege gefunden, ihren Geschmack oder Verstand zu bilden. Bis jetzt wurde sie von kleinen Geistern beherrscht. Das ist das Los mancher Frau, und da jede vom schönen Geschlecht die Rivalin ihrer Artgenossinnen ist, so gilt Schüchternheit als Torheit in ihrem barmherzigen Urteil und Sanftmut als Dummheit, und besonders Schweigsamkeit findet keine Gnade in den Augen der weiblichen Inquisition, denn diese Eigenschaft ist doch die schüchterne Absage an die lästige Anmaßung der Herrschenden und ein stummer Protest. Wenn also, mein lieber gesitteter Leser, du und ich heute abend in eine Gesellschaft von Grünkramhändlern gerieten, so würde unsere Unterhaltung wahrscheinlich kaum brillant werden. Wenn sich andererseits ein Gemüsehändler in deiner gebildeten, eleganten Teetischrunde einfinden würde, wo jedermann geistreich redet und alle die angesehenen Leute von Welt ihre Freunde auf reizende Art in Stücke zerreißen, so wäre der Fremde möglicherweise auch nicht sehr gesprächig und würde weder interessiert noch interessant scheinen.
Wir müssen auch bedenken, daß die arme Dame bis zum Augenblick noch keinem wahren Gentleman begegnet war. Wahrscheinlich findet man die seltener, als mancher von uns annimmt. Wer von uns kann in seinem Kreis viele davon aufweisen? Männer, die nur edle Ziele verfolgen, Männer, die standhaft, aufrichtig und treu sind, Männer, die schlicht und einfach sind, weil ihnen alles Gemeine fremd ist, und die der Welt ehrlich ins Angesicht blicken, mit gleicher männlicher Sympathie für das Große wie für das Kleine. Wir alle kennen hundert, die gutgearbeitete Kleider tragen, und ein Dutzend mit ausgezeichneten Manieren und ein paar Glückliche, die sich in den sogenannten innersten Kreisen bewegen und in der vornehmen Welt das Zentrum der
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