Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
Vom Netzwerk:
Gelegenheit entwickelte man eine Pracht, wie die kleine deutsche Stadt sie seit den Tagen des verschwenderischen Viktor XIV. nicht erblickt hatte. Alle benachbarten Fürsten, Fürstinnen und Großen wurden zu dem Fest eingeladen. Der Bettenpreis in Pumpernickel stieg ins Ungeheuerliche, und die Armee war völlig überfordert, die Ehrenwachen all der Hoheiten, Durchlauchten und Exzellenzen zu stellen, die aus allen Richtungen ankamen. Die Prinzessin wurde in der Residenz ihres Vaters dem stellvertretenden Grafen von Schlüsselback angetraut. Es wurden Haufen Schnupftabakdosen verschenkt (wie wir vom Hofjuwelier erfuhren, der sie verkaufte und später wieder kaufte), und der Pumpernickelsche Sankt-Michaels-Orden wurde scheffelweise an den Hofadel verteilt, während Körbe voll Bänder und Sterne des Sankt-Katharinenrad-Ordens von Schlippen-schloppen an unseren Hof kamen. Der französische Gesandte erhielt beide. »Er ist mit Bändern bedeckt wie ein Pfingstochse«, sagte Tapeworm, dem seine Dienstvorschriften nicht gestatteten, Auszeichnungen anzunehmen. »Meinetwegen soll er die Orden haben, auf wessen Seite ist der Sieg?« Tatsächlich war es ein Triumph der britischen Diplomatie, denn die französische Partei hatte mit allen Mitteln versucht, die Heirat mit einer Prinzessin des Hauses Potztausend-Donnerwetter durchzusetzen, wogegen wir natürlich opponierten.
    Alles war zu den Hochzeitsfeierlichkeiten geladen. Man hatte Girlanden und Triumphbogen über die Straße gespannt, um die junge Braut zu begrüßen. Der große Sankt-Michaels-Brunnen spie Wein, der allerdings ungewöhnlich sauer war, während der auf dem Artillerieplatz von Bier schäumte. Die großen Wasserkünste spielten, und im Park und in den Gärten hatte man Kletterstangen für das glückliche Landvolk errichtet, von denen sie nach Belieben Uhren, silberne Gabeln und Preiswürste an roten Bändern herabholen konnten. Georgy erklomm zum Jubel der Zuschauer eine Stange, erwischte eine Wurst, riß sie ab und glitt mit der Schnelligkeit eines Wasserfalls wieder herab. Er hatte es aber nur um des Ruhmes willen getan. Der Knabe gab die Wurst einem Bauernburschen, der sie beinahe bekommen hätte und jetzt heulend am Fuße der Stange stand, weil er keinen Erfolg gehabt hatte.
    In der französischen Gesandtschaft hatten sie sechs Lampions mehr zur Illumination als wir, aber unser Transparent, auf dem dargestellt war, wie das junge Paar ankam und die Zwietracht flüchtete (deren Gesicht eine drollige Ähnlichkeit mit dem französischen Gesandten besaß), lief dem französischen Bild den Rang ab und verschaffte Tapeworm zweifellos die Beförderung und den Bath-Orden, die ihm danach zuteil wurden.
    Es kamen eine Menge Fremde zu den Feierlichkeiten und natürlich auch Engländer. Außer den Hofbällen wurden auch noch öffentliche Bälle im Rathaus und in der Redoute gegeben. Im Rathaus hatte man für die Zeit der Festwoche einer der großen deutschen Gesellschaften von Ems oder Aachen Erlaubnis gegeben, ein Zimmer für Trente-et-quarante und Roulette einzurichten. Den Beamten und Bewohnern der Stadt waren diese Spiele verboten, aber Fremde, Bauern, Damen und auch sonst alle, die Geld verlieren oder gewinnen wollten, waren zugelassen.
    Unter den vielen kam auch der kleine Taugenichts Georgy Osborne zum Ball ins Stadthaus. Seine Verwandten waren zum großen Hoffest gegangen, und er befand sich in Begleitung von seines Onkels Diener, Herrn Kirsch. George hatte ja stets die Taschen voll Taler. Er hatte früher einmal in einen Spielsaal geblickt – in Baden-Baden; er war damals an der Hand Dobbins und hatte natürlich nicht spielen dürfen. Deshalb drängte er sich eifrig zu diesem Teil der Unterhaltung und lungerte an den Tischen umher, wo Croupiers und Pointeurs bei der Arbeit waren. Auch Frauen spielten. Einige von ihnen waren maskiert; die Ausschweifung war ihnen in dieser wilden Karnevalszeit gestattet.
    Eine Frau mit hellem Haar und tief ausgeschnittenem keineswegs neuem Kleid, mit einer schwarzen Maske, durch deren Augenschlitze ihr Blick seltsam funkelte, saß mit einer Karte und einer Nadel und ein paar Gulden vor sich an einem Roulettetisch. Wenn der Croupier Farbe und Zahl ausrief, stach sie regelmäßig sorgfältig ein Loch in die Karte und setzte nur dann, wenn Rot oder Schwarz ein paarmal herausgekommen waren. Sie bot einen merkwürdigen Anblick.
    Trotz aller Sorgfalt und Mühe mutmaßte sie jedoch falsch, und die letzten beiden Gulden folgten einander

Weitere Kostenlose Bücher