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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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unter dem Rechen des Croupiers, als er mit unerbittlicher Stimme Farbe und Zahl ausrief. Sie seufzte, zuckte die Schultern, die bereits etwas zu weit aus dem Kleid hervorblickten, stieß die Nadel durch die Karte in den Tisch und trommelte eine Weile darauf herum. Dann sah sie sich um und erblickte Georges ehrliches Gesicht, das auf die Szene starrte. Der kleine Bengel! Was hatte er hier zu suchen?
    Sie sah den Knaben unter der Maske hervor mit funkelnden Augen durchdringend an und fragte:
    »Monsieur n'est pas joueur?« 9
    »Non, Madame« 10 , entgegnete der Knabe. Aus seinem Tonfall mußte sie erkannt haben, wo er herkam, denn sie fuhr mit leichtem Akzent auf englisch fort:
    »Sie haben wohl noch nie gespielt – wollen Sie mir einen kleinen Gefallen tun?«
    »Welchen bitte?« fragte Georgy und wurde erneut rot. Herr Kirsch war beim Rouge et noir beschäftigt und sah seinen jungen Herrn nicht.
    »Spielen Sie dies für mich, bitte – setzen Sie es auf irgendeine Nummer, auf irgendeine.«
    Während dieser Worte zog sie aus ihrem Busen eine Börse und entnahm ihr ein Goldstück – die einzige Münze darin. Sie drückte sie George in die Hand, und der Knabe tat lachend, was ihm aufgetragen war.
    Die Zahl kam natürlich heraus. Es heißt ja, daß es eine Macht gibt, die das für Anfänger so einrichtet.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie und zog das Geld zu sich heran. »Ich danke Ihnen. Wie heißen Sie?«
    »Osborne«, sagte Georgy. Dabei wühlte er in seinen Taschen nach Talern und wollte eben einen Versuch machen, als der Major in Uniform und Joseph in der Aufmachung eines Marquis vom Hofball kamen. Andere Leute, die diesen Ball langweilig gefunden und den Spaß im Stadthaus vorgezogen hatten, hatten den Palast schon eher verlassen; aber vielleicht waren der Major und Joseph auch schon zu Hause gewesen und hatten die Abwesenheit des Knaben bemerkt, denn Dobbin ging unverzüglich auf ihn zu, ergriff ihn bei der Schulter und zog ihn energisch weg von der Stätte der Versuchung. Dann sah er sich im Raum um und erblickte Kirsch bei der bereits erwähnten Beschäftigung. Er ging zu ihm und fragte ihn, wie er es wagen könne, Mr. George an so einen Ort zu führen?
    »Laissez-moi tranquille«, sagte Herr Kirsch, sehr erregt von Spiel und Wein. »Il faut s'amuser, parbleu. Je ne suis pas au service de Monsieur.« 11
    Da der Major den Zustand des Mannes erkannte, wollte er sich nicht weiter mit ihm einlassen, und er begnügte sich damit, George wegzuziehen und Joseph zu fragen, ob er mitkomme. Dieser stand dicht bei der maskierten Dame, die jetzt mit einigem Glück spielte, und sah interessiert zu.
    »Willst du nicht lieber mit George und mir mitkommen, Joseph?« fragte der Major.
    »Ich werde noch etwas bleiben und mit dem Halunken Kirsch nach Hause gehen«, antwortete Joseph, und aus denselben Gründen der Zurückhaltung, die er glaubte vor dem Jungen haben zu müssen, wollte Dobbin Joseph keine Vorstellungen machen. Er verließ ihn also und ging mit Georgy heim.
    »Hast du gespielt«, fragte der Major draußen, als sie auf dem Heimweg waren.
    »Nein«, antwortete der Knabe.
    »Gib mir dein Ehrenwort als Gentleman, daß du es nie tun wirst.«
    »Warum?« fragte der Junge. »Es scheint doch Spaß zu machen.« Nun erklärte ihm der Major beredsam und eindringlich, warum er es nicht sollte, und er hätte ganz gern seine Lehren durch das Beispiel von Georgys eigenem Vater bekräftigt, aber er wollte nichts sagen, was das Andenken des anderen hätte verdunkeln können. Nachdem er ihn heimgebracht hatte, ging er ins Bett, und bald darauf sah er Georgys Licht in dem kleinen Zimmer neben Amelias verlöschen. Eine halbe Stunde später folgte Emmys Licht. Ich weiß nicht, weshalb es der Major so genau bemerkte.
    Joseph war am Spieltisch zurückgeblieben; er war zwar kein Spieler, aber der kleinen Aufregung dieses Vergnügens von Zeit zu Zeit nicht abgeneigt, und in den gestickten Taschen seiner Hofweste klimperten ein paar Napoleons. Er setzte einen über die schöne Schulter der kleinen Spielerin vor ihm hinweg, und sie gewannen. Sie rückte ein wenig, um ihm an ihrer Seite Platz zu machen, und nahm den Saum ihres Kleides von einem leeren Stuhl herunter.
    »Kommen Sie und bringen Sie mir Glück«, sagte sie, wieder mit ausländischem Akzent, ganz anders als das reine englische »Dankeschön«, mit dem sie Georges Coup für sie begrüßt hatte. Der dicke Herr sah sich um, ob ihn auch niemand von Rang beobachtete, setzte sich nieder

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