Jahrmarkt der Eitelkeit
wenn sie auf einer Klippe sitzen, auf der Harfe klimpern, sich das Haar kämmen, singen und euch bedeuten, hinzukommen und ihnen die Spiegel zu halten. Versinken sie aber in ihrem heimischen Element, so verlaßt euch darauf, daß die Meermädchen nichts Gutes im Schilde führen, und wir täten am besten daran, diese teuflischen Meerkannibalen beim Verschmausen ihrer elenden, eingesalzenen Opfer nicht zu belauschen. Wenn wir also Becky aus den Augen gelassen haben, so könnt ihr euch darauf verlassen, daß sie nicht zum besten beschäftigt war und wir gut daran tun, sowenig wie möglich von ihren Taten zu berichten.
Wenn wir einen ausführlichen Bericht ihres Schicksals in den wenigen Jahren nach der Katastrophe in der Curzon Street geben wollten, so könnte das Publikum wohl mit einigem Recht dieses Buch taktlos nennen. Die Handlungen eitler, herzloser und vergnügungssüchtiger Menschen sind oft sehr taktlos (wie manche von dir, mein Freund mit dem ernsten Gesicht und dem makellosen Ruf – aber das nur nebenbei), und wie sollen dann die Taten einer Frau ohne Redlichkeit, Liebe und Charakter aussehen? Ich bin zu der Ansicht geneigt, daß es eine Zeitspanne in Mrs. Beckys Leben gab, wo nicht Reue, aber eine Art Verzweiflung sie ergriff und sie ihre eigene Person völlig vernachlässigte und sich nicht einmal um ihren Ruf kümmerte.
Diese Niedergeschlagenheit und Erniedrigung setzte jedoch nicht mit einemmal ein. Es kam allmählich nach dem Unglücksfall und nach vielen Kämpfen, Oberwasser zu behalten. Einer, der über Bord gefallen ist, klammert sich ja auch an einen Balken, solange er noch Hoffnung hat, aber wenn er merkt, daß der Kampf vergeblich ist, wirft er ihn weg und geht unter.
Sie trieb sich in London herum, solange ihr Mann noch Vorbereitungen für die Abreise zu seinem Gouverneursposten traf. Wahrscheinlich versuchte sie immer wieder, ihren Schwager Sir Pitt Crawley zu sehen, um seine Gefühle zu bearbeiten, die sie ja schon fast für sich gewonnen hatte. Als Sir Pitt und Mr. Wenham zum Unterhaus gingen, erblickte Pitts Begleiter Mrs. Rebekka, in einen schwarzen Schleier gehüllt, wie sie in der Nähe des Parlamentsgebäudes umherschlich. Als ihre Augen denen Wenhams begegneten, machte sie sich davon, und ihr Anschlag auf den Baronet gelang niemals.
Wahrscheinlich legte sich Lady Jane ins Mittel. Ich habe gehört, daß sie ihren Gemahl durch den Mut, den sie in diesem Streit entwickelte, und ihre Entschlossenheit, sich von Mrs. Rawdon loszusagen, in Erstaunen setzte. Sie lud Rawdon aus eigenem Antrieb ein, bis zu seiner Abreise nach Coventry Island in der Gaunt Street zu wohnen, denn sie wußte, daß Mrs. Becky es nicht versuchen würde, sich Eingang zu verschaffen, wenn er als Wächter da war. Sie sah auch neugierig die Aufschriften aller an Sir Pitt gerichteten Briefe durch, damit er nicht etwa mit seiner Schwägerin korrespondierte. Nicht, daß Rebekka nicht hätte schreiben können, wenn sie die Absicht gehabt hätte, aber sie wollte Pitt nicht in seinem eigenen Haus sprechen oder dorthin schreiben, und nach ein paar Versuchen gab sie seiner Forderung nach, daß die Korrespondenz hinsichtlich ihrer Eheangelegenheiten nur von den Rechtsanwälten geführt werden solle.
Sir Pitts Ansicht über sie war nämlich tatsächlich vergiftet worden. Kurze Zeit nach Lord Steynes Unfall war Wenham beim Baronet gewesen und hatte ihm ein derartiges Lebensbild von Mrs. Becky gegeben, daß der Parlamentsabgeordnete für Queen's Crawley aus dem Staunen nicht herauskam. Er wußte alles über sie: wer ihr Vater war, in welchem Jahr ihre Mutter beim Ballett war, wie ihre Jugend verlief und wie sie sich im Eheleben benahm. Da aber unzweifelhaft der größte Teil der Geschichte erlogen und von Böswilligkeit diktiert war, so will ich sie hier nicht wiederholen. Becky geriet aber dadurch in schlechtes, sehr schlechtes Licht in den Augen des Landedelmannes und Verwandten, der ihr einst sehr zugetan war.
Die Einnahmen eines Gouverneurs von Coventry Island sind nicht hoch. Einen Teil davon legte Seine Exzellenz zur Bezahlung gewisser Schulden und Verbindlichkeiten beiseite; die Spesen seiner hohen Stellung verschluckten beträchtliche Summen, und schließlich stellte es sich heraus, daß er für seine Frau nicht mehr als hundert Pfund jährlich erübrigen konnte, die er ihr unter der Bedingung zahlen wollte, daß sie sich verpflichtete, ihn nicht weiter zu behelligen. Sonst würden Skandal, Scheidung und das Gericht
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