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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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hatte sie menschenähnlicher gemacht. Sie war wie eine Königin aus dunkler Vergangenheit, die ihren Magier ruft, damit er sie nach einem schlechten Traum beruhige.
    Sears erwiderte: «Zunächst einmal würde das Schauspiel nie ein Ende haben. Für gewöhnlich kommt ja der Tod, um einen gerade an der spannendsten Stelle aus dem Theater zu schleppen, gerade in dem Augenblick, wenn man glaubt, man werde erfahren, wie alles ausgeht.»
    Er mußte zunächst einmal Zeit gewinnen, da er ihre Stimmung noch nicht kannte und nicht wußte, was sie hören wollte, wenn er auch rasch zum Fachmann in seinem Spiel mit dem Esel, dem man eine Mohrrübe hinhält, geworden war. Er hatte sie so sehr in ihrer fixen Idee bestärkt, daß er annahm, wenn er sich erst einmal im Gebiet seiner Forschungen aufhielt und anfing, von dort Berichte zu schicken, die immer wieder erklärten, wie nahe sie dem Erfolg bereits waren, würde sie auf die Hoffnung nicht mehr verzichten können. Diese Hoffnung aber und die Erregung über den Ausgang der Suche würden sie gut und gerne noch zehn Jahre am Leben erhalten. Und während dieser Zeit konnte er wie ein König leben und außerdem noch eine ganze Menge beiseite legen. Doch um sie so weit zu bringen, mußte er ihre Gier und ihre Phantasie ständig mit Nahrung versorgen.
    Sie sagte nun: «Eine solche Neugier liegt mir fern, Mr. Sears.» Sie setzte sich in einen Sessel am Fenster und hatte dabei einen Zug von Empfindlichkeit um die Mundwinkel, der sie noch menschlicher machte. Ihre dickgeäderten Fäuste lagen fest geballt und klein im Schoß. Wie so häufig benutzte Sears die entsetzliche Besitzgier, die diese Fäuste für ihn symbolisierten, als Anhaltspunkt.
    «Sie würden die Königin der Welt werden», sagte er.
    Hannah rückte sich in ihrem Sessel zurecht. Die Bewegung wirkte, als wolle sie sich bequemer hinsetzen — wie ein Kind, das sich bereit macht, seine Lieblingsgeschichte zu hören.
    Sears zeigte aus dem Fenster auf die Häuser, Dockanlagen, Brücken, Schiffe und Fabriken des Hafengebiets. «Wohin Sie auch schauten, alles gehörte Ihnen — überall!»
    Es war, als hätte er ihr ein tonisches Mittel verabreicht. Ihr Rückgrat straffte sich wieder, und der Blick erhielt sein jugendliches Feuer zurück. Die beredten Anzeichen einer Veränderung, die ihm beim Eintritt ins Zimmer aufgefallen waren, verschwanden. Er dachte bei sich: Das ist es, was sie sich wünscht. Dann kann ich auch ruhig dick auftragen.
    «Denn schließlich», sagte er laut, «muß alles Ihnen gehören. Selbst Jesus sprach: Das Geld schafft Geld.»

    Die Linie ihres Mundes und das Funkeln der Augen bewiesen ihm, daß er jetzt auf der rechten Spur war. «Ihr Vermögen muß rascher wachsen, als man es wegsteuern kann. Wie die Sonne Feuchtigkeit von der Erde auf saugt, so müssen Ihre Besitzungen im Lauf der Jahrhunderte alles Geld, das es auf der Welt gibt, an sich ziehen und die Zinsen für Ihre Investierungen zahlen. Und vergessen Sie das Wichtigste nicht: Niemals werden Erbschaftssteuern den Zusammenschluß Ihrer Unternehmungen zerschlagen.»
    Hannah flüsterte: «Das stimmt: keine Erbschaftssteuern.»
    «Es wird sein wie ein ungeheurer Schneeball aus Gold, Silber und Banknoten, der wächst, sich ausdehnt und alles in sich aufnimmt, was er berührt: Währungen, Aktien, Kuxe, Hypotheken, Pfandbriefe, Anleihen, Schuldscheine und Zahlungsversprechen, Darlehen und Sicherheiten. Jeder Mann, jede Frau, die mit Ihnen leben, werden Ihnen alles schulden, was sie besitzen; jedes Kind, das geboren wird, ist Ihnen bereits verschuldet...»
    Sears wurde selbst von der Großartigkeit der Ausblicke hypnotisiert, die er hier öffnete, und seine Stimme erhielt den sonoren rollenden Klang des Zauberers:
    «Jedes einzelne Ding auf Erden und alle Schiffe, die über die Meere oder den Himmel fahren, müssen Ihnen gehören; Sie werden jeden Kral und jede strohgedeckte Hütte in Afrika besitzen, jedes Stein- oder Lehmhaus in Asien, jede Adobehütte in Peru oder Mexiko, alle Gebäude, Häuser, Villen, Hütten, Eigenheime, Chalets, Chateaus, Paläste, Burgen und Schlösser, Industrie- und Bürobauten, Schuppen, Baracken und Lagerhallen; alles, was es auf dem Antlitz der Erde gibt, wo die Menschen tagsüber arbeiten oder wohin sie sich nachts zurückziehen, um ihr Haupt zu betten, wird Ihnen gehören. In Ihre Hände muß jeder Habenposten auf diesem Planeten fallen, das Erz, Vieh, Korn, Holz, die Kohle, das Eisen,

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