Jahrmarkt der Unsterblichkeit
das andere trug zu seiner inneren Ruhe bei. Das eine war die ungewöhnliche Blässe Ben-Isaaks und der Ausdruck in seinen Augen, als er aus der Tür ging, und das andere das triumphierende, wissende und befriedigte Lächeln um den Mund von Miss Clary Adams, während sie den reizenden Kopf über den Block beugte und darauf wartete, die Instruktionen ihrer Arbeitgeberin entgegenzunehmen.
14
Stehet auf, laßt uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe.
Markus 14, 42
In der Villa Bascombe war es früh still geworden. Hannah hatte sich zurückgezogen, doch Ben-Isaak war nirgends zu finden, und Clary ebensowenig. Sears’ Nervenspitzen lagen unmittelbar an der Hautoberfläche. Er blieb einen Augenblick vor seinem Zimmer stehen und hörte das ferne Murmeln von Stimmen, das aus dem Erdgeschoß heraufklang, wo Clary ihr Büro hatte. Mit allen Poren spürte Sears die Gefahr, und mit leisen Schritten machte er sich auf den Erkundungsweg.
Wie er es gefürchtet hatte, waren sie zusammen; er sah sie durch die offene Tür am andern Ende des Raumes dicht beieinander, die gespannten Gesichter von einem Streifen Licht aus Clarys fluoreszierender Neon-Schreibtischlampe dramatisch beleuchtet. Aus ihrer Haltung erkannte er sofort, daß es sich nicht um einen Austausch von Zärtlichkeiten handelte. Ben-Isaak saß rechts neben Clarys Tisch und sprach ernst und mit einem solchen Eifer auf das Mädchen ein, daß es selbst Joe erschütterte; der Junge war gerade dabei, ihn zu verraten.
Sears blieb lauschend ein paar Minuten an der Tür stehen, ohne sich dessen zu schämen, da es um ihn selber ging; es schien sich jetzt um die Frage: «Er oder sie» zu handeln. Dann knipste er gelassen mehrere von den Lichtschaltern an, so daß der ganze Raum sanft erleuchtet wurde, und trat ein. Er ging durch das lange Zimmer und sagte: «Und was wirst du Miss Bascombe morgen früh erzählen?»
Betreten stand Ben-Isaak rasch auf und wandte sich ihm zu, doch Clary faßte sich als erste. Mit der Zuversicht eines Spielers, der alle Karten in der Hand hat und weiß, daß das Spiel bereits gewonnen ist, erwiderte sie: «Die Wahrheit. Ich kenne sie schon lange, schon ehe ich eine Auskunft über Sie einholte. Doch nun hat mir Ben-Isaak alles erzählt.»
Sears sagte trocken: «Ich weiß. Ich habe es gehört.»
Ben-Isaak fragte: «Und hat’s dir gefallen, was du da gehört hast?»
Obwohl Sears etwas Derartiges erwartet hatte, war er doch über die Erbitterung des gegen ihn verschworenen Paares erschüttert. Er war darauf vorbereitet gewesen, es mit Clary als einer offen erklärten Feindin zu tun zu haben, doch Ben-Isaak hatte er als Verbündeten und Partner betrachtet.
Deshalb erwiderte er schroff: «Das laß meine Sorge sein. Wir wollen weiterkommen. Ich habe den Anfang der Geschichte verpaßt. Wie lautet die für Hannah bestimmte Fassung?»
Ben-Isaak entgegnete: «Nun, wenn du’s unbedingt wissen willst — daß sie hereingelegt worden ist, hinters Licht geführt, betrogen. Daß du ein Schwindler bist und ich ein dreckiger Betrüger und Lügner, der niemals auch nur in der Nähe von Palästina gewesen ist, und...»
Clary rief: «Nein, Ben-Isaak, nein! Er hat dich verführt. Du wußtest gar nicht, was du tatest.»
Sears sah sie ernst an und sagte: «Das könnte sein.» Er studierte Ben-Isaak. «Eins begreife ich nicht, Junge. Du schienst es ganz zufrieden zu sein, dich mir anzuschließen. Was ist geschehen, daß sich das Bild so völlig verändert hat? Wovor fürchtest du dich?»
Clary warf rasch ein: «Er fürchtet sich vor gar nichts.» Sears zog eine Augenbraue hoch. Hier lag tatsächlich ein enges Bündnis vor.
Ben-Isaak sagte: «Wir sind fertig, Joe. Wenn Hannah mitkommt, können wir uns keine drei Tage in Israel halten, weil sie dort sofort herausfinden muß, daß unsere Geschichte Unsinn ist. So wie du es zuerst darstelltest und bei der Person, für die wir sie hielten, spielte es keine Rolle, daß wir sie zum Narren hielten, doch jetzt ist es anders.»
«Ach», bemerkte Sears, ohne irgendwelchen Nachdruck auf seine Worte zu legen, «und in welcher Hinsicht ist es anders? Weil du jetzt deine Papiere hast und gehen kannst, wohin du willst?»
Der Junge erklärte ohne jede Verlegenheit und Sentimentalität: «Weil ich sie liebe. Sie hat mir eine Heimat gegeben und mich wie einen Menschen behandelt. Eine Zeitlang glaubte ich, ihr zu helfen und sie glücklich mit den Dingen zu machen, die ich ihr erzählte und die ich sie glauben ließ.
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