Jake Djones - In der Arena des Todes: Roman (German Edition)
vorbeischlurfte, rümpfte sie nur angewidert die Nase, zog ihr Taschentuch hervor, besprenkelte es mit Parfüm und hielt es sich vors Gesicht. Als das Tier prompt vor ihr stehen blieb und den Kopf in ihre Richtung drehte, warf sie sich mit einem Kreischen an Jupitus Coles Brust, der die eigenartige Parade mit stoischer Miene verfolgte. Zur großen Verwirrung aller auf Mont-Saint-Michel hatten Jupitus und Oceane vor Kurzem ihre Verlobung bekannt gegeben. Jupitus war der etwas mürrische, vom Wesen typisch viktorianische Stellvertreter von Kommandantin Goethe, Oceane eine hochnäsige Dame vom Hof Louis XV . Obwohl die beiden sich in Sachen Überheblichkeit in nichts nachstanden, hätte keiner am Nullpunkt eine Romanze zwischen ihnen auch nur im Entferntesten für möglich gehalten.
»Und wohin sollen sie Oceanes Meinung nach?«, fragte Miriam.
»Galliana meinte, fürs Erste könnten sie in den alten Stallungen bleiben«, antwortete Alan. »Aber sie klang nicht besonders begeistert.«
Miriam schaute zur Kommandantin hinüber. Oberflächlich wirkte sie ruhig und gelassen wie immer, aber wer sie besser kannte, sah ihr Unbehagen.
»Das hier ist das Hauptquartier eines Geheimdienstes«, murmelte Galliana, »keine Zuflucht für exotische Tiere. Wenn die Leute vom Festland davon Wind bekommen … Immerhin machen sie einen einigermaßen zahmen Eindruck.«
»Das will ich auch hoffen, denn wir werden es sein, die hinter ihnen sauber machen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie Oceane Noire einen Haufen Elefantenmist wegräumt.«
Wie auf ein Stichwort hob der Elefant den Schwanz und ließ einen ordentlichen Haufen grasbrauner Brocken auf den Pier fallen.
»Mon dieu!« , keuchte Oceane und umklammerte mit beiden Händen die Perlenkette an ihrem Hals, als könnte sie allein den Anblick natürlicher Ausscheidungen nicht ertragen.
»Sag ich doch«, flüsterte Miriam Alan zu. »So was hat sie noch nie gesehen, geschweige denn, dass sie selbst jemals aufs Klo müsste.«
Die beiden blickten einander grinsend an.
Schließlich kam das letzte Tier die Laufplanke herunter. Es trug eine schwere Kette um den Hals, und zwei Matrosen führten es ängstlich an der daran befestigten Leine. Es war eine junge Löwin.
Alle schnappten nach Luft. Die Löwin war noch recht klein, aber die enormen Pranken verrieten, wie groß sie eines Tages werden würde. Den Blick eines Raubtiers hatte sie jetzt schon.
»Da bist du ja endlich, ma petite!«, rief Oceane und lief der Löwin mit ausgebreiteten Armen entgegen. Als sie sich auch noch vor das Tier auf den Pier kniete, hielten alle den Atem an. »Diese dummen Fesseln brauchen wir doch nicht«, flötete Oceane, öffnete den Verschluss und warf die Kette den beiden Matrosen zu. »Josephine ist sehr kultiviert. Der Zirkusdirektor ist ein entfernter Verwandter Eleanors von Aquitanien, weshalb Josephine bei Angehörigen des französischen Hochadels aufwuchs. Sie isst sogar Salat.« Oceane schnippte mit den Fingern.
Ein Diener kam zögerlich heran und reichte ihr aus sicherer Entfernung einen bestickten Beutel.
Oceane zog eine Handvoll Rauke daraus hervor und hielt sie Josephine hin.
Die Löwin schnupperte ein paar Mal, dann fraß sie die länglichen grünen Blätter ohne allzu große Begeisterung.
»Ist sie nicht ein kluges Tier?«, jubelte Oceane und klatschte vergnügt in die Hände. » Adorable, tout simplement . Und erst der Name … wie Madame Bonaparte!«
Eine neuerliche Böe riss Alan den Hut vom Kopf und trug ihn wirbelnd hinaus aufs Meer, wo die brausenden Wellen ihn verschlangen.
»War eh nie besonders scharf auf das Ding«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Signor Gondolfino meinte zwar, er würde mein Gesicht gut zur Geltung bringen, aber meine Kopfhaut hat ständig gejuckt.« Wieder musste Miriam lachen, und Alan stimmte mit ein.
»Bring die anderen Tiere schon mal in den Stall«, befahl Oceane ihrem Diener, dann wandte sie sich wieder der Löwin zu. »Komm, Liebes, gehen wir nach drinnen. Il fait trop de vent .« Sie fasste Josephine am Nacken und führte sie zum Eingang des Schlosses. »Wir werden etwas Schönes für deinen Hals aussuchen. Ich denke, ein Diamantencollier wäre passend, was meinst du?«
Die Löwin blieb noch einmal stehen und ließ mit zusammengekniffenen Augen den Blick über die versammelten Geschichtshüter schweifen, dann verschwanden die beiden hinter dem schweren Eingangstor.
Oceanes Diener brachte unterdessen den Elefanten und die anderen Tiere zu den
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