Jake Djones - In der Arena des Todes: Roman (German Edition)
Stallungen, und Miriam blickte versonnen hinaus aufs Meer. »Jake müsste bald zurückkommen. Ich hoffe, es ist alles glattgegangen.«
Vor dem Auslaufen hatten Nathan und Charlie Caspar zu einem Freund der Familie gebracht und den Isaksens Nachricht geschickt, ihn dort abzuholen. Jake war dazu verdonnert worden, währenddessen allein auf dem Schiff auszuharren. Unter Deck. Auf dem Rückweg hatten die beiden noch etwas Proviant für die Heimreise gekauft, und bei Sonnenaufgang waren sie ausgelaufen. Es war eine warmer, sonniger Tag, und das Eis hatte sofort zu schmelzen begonnen.
Stundenlang hatte Jake sich still im Hintergrund gehalten. Er hatte versucht zu helfen, wo er konnte – Nathan mit den Segeln oder Charlie in der Kombüse –, aber beide hatten nur mit einem stummen Kopfschütteln abgelehnt und ihn kaum eines Blickes gewürdigt. Selbst Mister Drake schien der Meinung, dass etwas mit Jake nicht stimmte. Als er versuchte, den Papagei mit dem Obstkuchen zu füttern, den seine Mutter ihm kurz vor der Abfahrt zugesteckt hatte, drehte er nur verächtlich den Schnabel weg. Normalerweise war Mister Drake ganz vernarrt in Süßigkeiten, sogar in Miriams abenteuerliche Backexperimente, doch diesmal war er partout nicht zum Fressen zu bewegen und zog sich schließlich auf die Rah des Hauptsegels zurück. Jake beschloss, in seine Kabine zu gehen.
Die Abenddämmerung brach bereits herein, und Jake zermarterte sich immer noch den Kopf wegen der schrecklichen Ereignisse in Stockholm. »Du elender Verräter!«, hatte Caspar Isaksen ihm unverhohlen ins Gesicht gebrüllt. Die Tatsache, dass er alle bitter enttäuscht hatte – nicht nur die Mitglieder seines Teams, sondern den gesamten Geheimdienst der Geschichtshüter –, war schlimm genug. Doch viel schlimmer war das Wissen, dass wegen seines Versagens Unschuldige würden leiden müssen. Jake war hundeelend zumute. Sein Magen fühlte sich an wie ein Stein.
Charlie klopfte an Jakes Kabinentür und fragte, ob er etwas Morchelsoufflé mit Polenta mitessen wolle. Jake hatte zwar keinen Hunger, geschweige denn Appetit, doch er nahm dankbar an. Am Esstisch hüllte er sich in zurückhaltendes Schweigen, während Nathan und Charlie darüber diskutierten, in wessen Diensten der Leopard stehen mochte und wie es möglich sein konnte, dass er über Ort und Zeitpunkt der Atomiumübergabe genauestens Bescheid gewusst hatte.
»Ich male ja nur ungern den Teufel an die Wand«, sagte Nathan, stellte seinen leeren Teller beiseite und holte ein kleines Holzkästchen hervor, »aber es scheint nur eine einzige plausible Erklärung zu geben.« Er öffnete den furnierten Deckel und nahm den Inhalt heraus: die silberne Horizontschale und zwei Phiolen mit dem verbliebenen Atomium für die Rückkehr zum Nullpunkt. Während er an den winzigen Hebelchen der Horizontschale das Datum einstellte, murmelte er düster: »Es muss noch einen zweiten Doppelagenten auf Mont-Saint-Michel geben.« Erst vor wenigen Wochen war der scheinbar so liebenswürdige Chauffeur Norland als Spion Prinz Zeldts enttarnt worden.
Die drei Agenten tranken ihre Dosis, Charlie verabreichte dem wie immer wenig begeisterten Mister Drake ebenfalls einen Tropfen, und eine Stunde später erreichten sie den Horizontpunkt. Jake verspürte dieselben außerkörperlichen Erfahrungen wie sonst auch, sah Momentaufnahmen der Geschichte vor seinem inneren Auge wie bei seinen anderen Zeitreisen, und trotzdem war es nicht dasselbe. Zum einen lag das an der kurzen Distanz, die sie zurückgelegten – nur achtundzwanzig Jahre –, zum anderen und hauptsächlich aber an den grässlichen Schuldgefühlen, die ihn plagten.
Kurz nachdem sie im Jahr 1820 und dem weit wärmeren Klima des Ärmelkanals angekommen waren, blieb die Schiffsschraube der Tulpe stotternd stehen. Mit den Worten »Maschinenöl und japanische Seide vertragen sich nicht besonders« riss Nathan sich das Hemd vom Körper und verschwand im Kesselraum, um die geplatzte Dichtung zu reparieren. Letztendlich hatte Charlie jedoch Bedenken, dass bei der nächsten Undichtigkeit die gesamte Maschine Feuer fangen könnte, und sie beschlossen, den Rest der Strecke zu segeln.
Es war schon weit nach ein Uhr morgens, als Charlie vom Steuerrad aus endlich die charakteristische dreieckige Silhouette Mont-Saint-Michels am Horizont erspähte, und fast zwei, als sie in die kleine Bucht einfuhren.
»Sieht so aus, als hätte Galliana auf uns gewartet«, meinte Charlie und deutete auf ein
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