Jake Djones - In der Arena des Todes: Roman (German Edition)
Nathan und Charlie gerade noch mit hineinpassten. Caspar lag ausgestreckt auf einem hölzernen Operationstisch. Sein Kiefer zitterte, das Gesicht war aschfahl, und er murmelte wie im Fieber.
Vor ihm stand der Schiffsarzt mit einem Mundschutz vorm Gesicht. Seine Augen waren gerötet – bis vor wenigen Minuten hatte er noch geschlafen. Im flackernden Schein einer Laterne machte er gerade Nadel und Faden bereit.
Jake stand in der Tür und schaute schuldbewusst auf die gegenüberliegende Wand, an der die Instrumente des Arztes hingen: eine museumsreife Sammlung von Messern und grässlich anzuschauenden Sägen, manche davon dunkel verfärbt von getrocknetem Blut. Wie Requisiten aus einem Horrorfilm , dachte Jake.
Der Arzt murmelte etwas auf Schwedisch.
»Das wird jetzt ein bisschen wehtun«, übersetzte Charlie leise. Er nickte Nathan zu, dann hielten sie Caspars Arme fest. Zwei Soldaten übernahmen die Beine.
Caspar brüllte aus vollem Hals, und sie hatten alle Mühe, ihn zu halten, während der Arzt die erste Naht setzte.
Jake schaute weg.
Acht endlose Minuten vergingen, dann war die Wunde endlich verschlossen, gesäubert und verbunden. Caspars Verstand wurde jetzt langsam wieder klar, und sein Atem ging gleichmäßiger. Als er bei vollem Bewusstsein war, suchte er Jakes Blick. Caspar sah aus, als wäre er rasend vor Zorn. Mit glühenden Augen funkelte er Jake an. »Du …«, knurrte er. »Mit dir hab ich noch ein Wörtchen zu reden.«
Jake nickte und trat an den Operationstisch. »Das … das alles tut mir so unglaublich leid«, sagte er leise. »Es ist meine Schuld, dass du angeschossen wurdest.«
»Angeschossen?«, schnaubte Caspar. »Glaubst du, das kümmert mich? Diese kleine Wunde ist nichts im Vergleich zu dem, was du angerichtet hast!«
Keine Spur mehr von dem tollpatschigen, übergewichtigen Torten- und Opernfan. Jake hatte nichts zu erwidern. Mit hängendem Kopf ließ er Caspars Tirade über sich ergehen.
»Ich habe keine Ahnung, wer du bist und woher du kommst«, zischte Caspar durch zusammengebissene Zähne, »noch weiß ich, was du mit den Geschichtshütern zu schaffen hast, aber du musst eines wissen: Du hast alles zerstört. Alles. Nicht nur, weil es zehn Jahre gedauert hat, das Atomium herzustellen, und weitere zehn brauchen wird, um es zu ersetzen. Es sind auch nicht die vielen, teilweise lebenswichtigen Einsätze, die wegen deines Versagens abgeblasen werden müssen. Nein, viel schlimmer ist, dass du das Atomium in die Hände unserer Feinde hast gelangen lassen. Jetzt sind sie besser gerüstet denn je, die Kontrolle über die Vergangenheit an sich zu reißen. Ich hoffe, du hast wenigstens genug Verstand, um zu begreifen, was du angerichtet hast, du elender Verräter!«
Brennende Scham stieg in ihm auf. Jake schluckte, dann schloss er die Augen.
3
Josephine von Nantes
W oher hat sie die bloß alle?«, fragte Miriam hinter vorgehaltener Hand.
»Von einem Zirkusdirektor in Nantes, hat sie mir erzählt«, flüsterte Alan zurück. »Das Geschäft lief nicht mehr so. Er musste die Tiere verkaufen, um seine Schulden zu bezahlen. Eigentlich wollte Oceane nur eines davon, in das sie sich à première vue verliebt hatte, aber der Direktor sagte, alle oder keines.«
Es war ein außergewöhnlich stürmischer Tag auf Mont-Saint-Michel. Alan und Miriam Djones standen zusammen mit den anderen, nicht weniger beeindruckten Geschichtshütern auf dem Pier und beobachteten, wie Oceane Noire mit gewohnt ruppiger Art das Entladen ihrer »Menagerie« überwachte, wie sie es nannte. Alle trugen für das Jahr 1820 übliche Kleidung: die Frauen lange, im Wind flatternde Kleider, die Männer gingen in Frack und Kniehosen. Die Hüte mussten sie wegen der ständigen Böen immer wieder festhalten.
Eine Barke hatte an der Anlegestelle festgemacht. Die Besatzung trieb die verstört wirkenden Tiere vor sich her über den Kai, darunter zwei Ponys und mehrere Pferde, auf die mit der gebotenen Schwerfälligkeit ein Elefant folgte. Die Tiere sahen aus, als hätten sie schon bessere Tage gesehen, vor allem der Elefant: Er war uralt, die Haut grau und runzlig. Sein Rücken hing durch wie eine alte Matratze, der Rüssel baumelte bei jedem mühevollen Schritt kraftlos hin und her.
»Armes Ding«, murmelte Miriam. Der Anblick des Elefanten war so unendlich traurig, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
Alan legte ihr einen Arm um die Schulter.
Oceane war alles andere als gerührt. Als der Elefant an ihr
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