Jake Djones - In der Arena des Todes: Roman (German Edition)
Für einen Beobachter war sein Anblick wohl das Ungewöhnlichste an der ganzen Szene: ein vierzehnjähriger Junge in Schuluniform, der mit nichts als seinem Schatten als Begleiter hinaus in den glühend heißen Sand marschierte.
Er erreichte den Eingang des Palasts, ein bestimmt fünf Meter hohes, mit Silbernieten beschlagenes Tor, auf dessen beiden Seiten je eine golden schimmernde Statue mit menschlichem Körper und Tierkopf stand. Die Arme hatten sie gebieterisch vor der Brust verschränkt, und beide hielten sie ein Zepter in der Hand. Jake legte den Kopf in den Nacken und blinzelte hinauf zu ihren langen Schnauzen und spitzen Ohren. Er reichte den Statuen nicht einmal bis zu den Knien.
Jake drückte das Tor auf und trat in den kühlen Innenhof. Über einen breiten, mit Marmor gepflasterten Weg ging er bis in das geräumige Atrium. Bis jetzt hatte er derartige Bauwerke nur als Ruinen gesehen, die, wie die Bezeichnung schon andeutete, stets grau und verfallen gewesen waren. Doch das hier war etwas ganz anderes. Die Säulen zu beiden Seiten waren in allen Farben des Regenbogens bemalt: Karminrot, Orange, Zitronengelb, Smaragdgrün, Indigoblau und Violett. Die Wände dahinter waren über und über mit detailreichen Hieroglyphen verziert, mit Vögeln, Käfern, Sternen, Monden und allerlei anderen Dingen. Und es gab jede Menge Katzen, die im Schatten dösten. Eine öffnete halb die Augen, begutachtete den Neuankömmling ohne großes Interesse, rekelte sich kurz und schlief dann weiter.
In der Mitte des Atriums befand sich ein quadratischer Teich, an dessen Rand Räucherschalen standen. Der Duft von Jasmin hing in der Luft. Erleichtert lief Jake zu dem Teich, um endlich seinen Durst zu stillen – doch das Wasser war wie alles andere nur Illusion.
Enttäuscht sah Jake sich weiter um. Er entdeckte einen niedrigen Tisch mit mehreren Pergamentrollen darauf. Eine davon war ausgerollt und an den Ecken mit Steinen beschwert. Es war eine Karte – mit Sicherheit die älteste, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Sie zeigte den Lauf des Nils und die kleinen Siedlungen an seinen Ufern. Jake wollte sie gerade zur Hand nehmen, als er aus einem der Säulengänge Schritte hörte, die schnell näher kamen.
Er fuhr herum und sah einen Trupp Wachsoldaten. Ihre Haut war dunkel, ihre Bewegungen kraftvoll und elegant. Sie trugen lederne Brustharnische und Krummsäbel, die Helme auf ihren Köpfen waren aus Bronze. Einer der Soldaten schaute direkt in seine Richtung, schien Jake aber nicht zu bemerken. Anscheinend war er unsichtbar, dennoch zog er sich vorsichtshalber hinter eine der Säulen zurück.
Da näherten sich weitere Schritte, leiser diesmal, und die Soldaten nahmen Haltung an. Fünf junge Frauen in weißen Faltengewändern kamen hereingeschwebt wie Elfen aus einem Märchen. Ihre Gürtel und der Halsschmuck waren genauso bunt wie die bemalten Säulen. Die Letzte in der Gruppe war eindeutig die Anführerin. Als sie das Atrium erreichte, verneigten sich die Soldaten ehrerbietig vor ihr. Sie war kleiner und zierlicher als die anderen vier, strahlte aber eine Macht und Autorität aus, die weit jenseits aller körperlichen Merkmale lag. Barfuß trat sie an den Tisch und betrachtete die Karte. Ohne aufzublicken, sagte sie etwas zu ihrem Gefolge. Ihre Stimme und die fremdartigen Worte klangen in Jakes Ohren wie der Gesang eines exotischen Vogels.
Neugierig trat er hinter der Säule hervor. Er wusste, ihm konnte nichts passieren – in Wirklichkeit saß er in einem Apparat mindestens zweitausend Jahre weit weg –, und doch flößte ihm diese Frau Respekt ein. Sie trug ein Diadem, das genauso aussah wie der Vogel, den er zuvor aus den Palmen hatte auffliegen sehen. Ihre Haut war so weiß wie der Marmor zu ihren Füßen, die Lippen kirschrot, die Augen tief und dunkel wie die See.
Jake war hin und weg von ihrem Anblick, da spürte er eine kühle Brise im Gesicht. Schemenhaft nahm er messingfarbene Ringe wahr, die mit rasender Geschwindigkeit rotierten. Die Augen der betörenden Frau verblassten, bis nur noch die glänzend schwarzen Pupillen übrig waren und schließlich ganz verschwanden.
Jake war wieder in der Testkammer. Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
»Alles in Ordnung, Jake?«, fragte Miriam. »Du hast so stark gezittert.«
Jake nickte benommen. Er war gedanklich immer noch halb in dem sonnendurchfluteten Palast im alten Ägypten und musste sich erst wieder an die düstere Kammer mit den dunklen Wandteppichen
Weitere Kostenlose Bücher