Jakob der Reiche (German Edition)
es, der immer wieder an abgelegenen Orten Kirchen oder Klöster besuchte. Bei diesen Reisen betete und beichtete er, wie es sich gehörte. Zugleich beschaffte er auch neue Geldeinlagen von verschiedenen Bischöfen und Fürsten, aber auch von wohlhabenden Handelsherren, die öffentlich als ihre Gegner und Konkurrenten galten.
Ulrich und Georg wohnten und arbeiteten im großen Haus am Rindermarkt, zu dem sie ein weiteres Straßenstück hinzugekauft hatten. Noch immer besaß jeder der beiden Brüder mehr Vermögen als Jakob. Ihre Familien wuchsen, und Jakob begann einzusehen, dass er auch in seinem Leben etwas ändern musste. Einige der Hofräte in Innsbruck und die Patrizier im Augsburger Rathaus munkelten seit längerer Zeit darüber, wie gottgefällig der jüngste der drei Fuggerbrüder lebte. Jedermann wusste, dass er viele Jahre lang im Zölibat gelebt hatte, aber manch Elternpaar in Augsburg und Umgebung mit einer hübschen Tochter fand, dass er diese Bestimmung nun langsam aufgeben müsse.
»Wenn du dich gegen die Söhne deiner Brüder auch in einigen Jahren noch durchsetzen willst, musst du dich langsam sputen«, sagte sogar Conrad Peutinger, der zu einem der einflussreichsten Berater König Maximilians aufgestiegen war. Die Stadt Augsburg war stolz auf den belesenen und geachteten Mann, der so weit herumgekommen war. Die Stadtväter hatten ihm sogar die ehrenvolle Stelle eines Stadtschreibers auf Lebenszeit in Aussicht gestellt.
»Ich habe nicht umsonst durchgesetzt, dass aus unserer Firma sämtliche Erbansprüche und fremde Beteiligungen herausgenommen werden«, gab Jakob abwehrend zurück. »Auf diese Weise muss jeder von uns handeln, als wäre er allein für das Ganze verantwortlich – ohne Rücksicht auf weitere Anteile von einem Eheweib, Anverwandten oder Kindern.«
»Haben die anderen denn nicht bemerkt, dass du ihren Anhang damit vollständig entmachtet hast?«, fragte Conrad Peutinger.
»Natürlich haben alle gezetert und gegrollt, als ich mich mit meinem Vorschlag durchsetzte. Aber es gibt weiß Gott genügend böse Beispiele für Erbteilungen, die in vielen anderen Handelshäusern und adligen Familien zum jähen Untergang geführt haben. Das Geld muss in der Firma bleiben, wenn es Gewinn und Sicherheit erzeugen soll. Alles andere gleicht einer Ernte, ehe die Früchte reif sind.«
»Du warst bei dem Beschluss ohne Eheweib«, stellte Conrad fest. »Und du bist immer noch derjenige, der auf niemanden Rücksicht nehmen muss – nicht einmal auf sein eigenes Fleisch und Blut.«
Nach einigen Wochen kam Jakob von selbst noch einmal auf diese Angelegenheit zu sprechen. »Es ist nicht so, dass mich Kindergeschrei stören würde«, meinte er eines Abends, als er mit Peutinger in dessen Haus beim Wein zusammensaß. »Ich mag zum Beispiel Georgs Sohn Anton gern. Er ist kein Hohlkopf wie manch ein anderer. Wenn ich einen wie ihn zum Erben hätte, wäre mir wohler.«
»Und warum heiratest du nicht und zeugst dir wohlgeratene Söhne?«, fragte Peutinger direkt. »Es gibt genügend Jungfrauen in der Stadt, für die sich kein Patrizier und kein großer Kaufmann wie du schämen müsste.«
»Ich mag sie einfach nicht«, gab Jakob offen zurück. »Ein Weibsbild, das mir gefallen könnte, dürfte mich nicht mit großen Augen ansehen und schweigend den Blick senken, sobald ich sie anspreche, sondern müsste lachen, wenn ich scherze, und traurig sein, wenn mir ein Missgeschick in geschäftlichen Dingen zustößt. Keine Dienerin also, keine, die nur gebären will …, aber auch keine schamlose Person, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Du willst also ein Weib, das Hexe und Nonne zugleich ist«, meinte Conrad lachend. »Die Einzige, auf die all diese Vorzüge zutreffen, habe ich mir gerade ausgesucht.«
»Du? Davon weiß ich gar nichts.«
»Es ist die siebzehnjährige Margaretha Welser – eine unglaublich intelligente und belesene Jungfrau.«
»Jungfrau ist meine nicht mehr, sondern Witwe«, antwortete Jakob mit einem tiefen Seufzer. Zum ersten Mal verriet er etwas von seinem innersten Geheimnis. »Sie ist die Tochter eines Kaufmanns, war bei den Nonnen so wie ich bei Mönchen, wurde gekrönte Königin eines süßen Landes und lebt jetzt unerreichbar für mich in einer fernen Burg und in meinen Träumen.«
Sie hoben ihre Gläser und lächelten sich zu. Peutinger fragte nicht nach. Es war, als wüsste er schon lange, wen Jakob Fugger meinte. Auch deshalb fühlte Jakob sich im Haus des Freundes wohl. In
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