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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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den ebenso gerade angelegten Hafen von Antwerpen an der Schelde. Hier wie dort schloss sich an den gemauerten Uferstreifen eine lange Reihe von Lagerhäusern an, die wie eine einzige Mauer mit Fenstern und Türen aussah.
    Weder in Köln noch in anderen Städten des Nordens kehrte diese Einheitlichkeit wieder. Im Gegenteil – nach allem, was er bisher gesehen hatte, wollte dort jeder unterschiedliche Tore und Fenster, Erker und Türmchen, Dächer und Gauben zeigen. Nie zuvor war Jakob der Unterschied zwischen der alten, klar gestalteten Welt und der neuen, die Individualität betonenden Zeit so deutlich geworden wie in den Ruinen von Aquileia. Er war so versunken in seine Gedanken, dass er nicht einmal bemerkte, wie sich ein Mann zu Fuß über den weiten Platz an den Säulen des Forums entlang auf ihn zubewegte.
    »Wovon träumt Ihr, Fugger?«, rief der Mann mit einer kräftigen, an lautes Brüllen und fässerweise Wein gewöhnten Stimme. Er sprach deutsch, aber sein harter Akzent ließ keinen Zweifel daran, woher er kam.
    Die beiden Männer waren so unterschiedlich, wie Menschen nur sein können. Wie zwei Gladiatoren standen sie einander auf dem weiten Forum von Aquileia gegenüber. Es war, als müsse sich hier und jetzt entscheiden, ob sie sich erschlagen oder umarmen sollten. Der geniale Bergbauingenieur mit einer untrüglichen Nase für neue Erzadern und drohende Wassereinbrüche in den Gruben sah aus wie ein großer brauner Bär. Sein wildes Haar ging in einen dichten Bart über, der nur eine vom Alkohol gerötete, breite Nase und kleine, sanfte braune Augen über roten Backen frei ließ. Alles an Thurzo war braun wie die Erde seiner Heimat und doch von einem eigenartigen Glanz, der Jakob Fugger auf geheimnisvolle Weise wie der verborgene Schimmer von Kupfererz vorkam. Auch sein Mantel, seine Stiefel und seine Pluderhosen leuchteten rötlich braun in der Mittagssonne.
    Zwischen Thurzo und dem schlanken, nach venezianischer Art mit erlesenen bunten Stoffen gekleideten Jakob Fugger konnte es keinen größeren Unterschied geben.
    »Ihr in Augsburg habt wohl viel zu lange auf Euren König Maximilian gestarrt«, spottete Johann Thurzo. »Immer nur Silber und Guldiner in den Augen. Darüber kann man leicht blind werden und übersehen, was sonst noch in der Welt geschieht.«
    »Dafür ersäufen andere ihre von Gott geschenkten Gaben gern leichtfertig in Wodkafässern.«
    »Hohoho!«, rief Thurzo aus. »Wer bei uns arbeitet wie ein Pferd, der darf auch saufen wie ein Pferd! Und ich kenne nun einmal nichts anderes als meine Gruben und Maschinchen, mit denen ich sie ergiebig mache und vor den Wasserteufeln schütze.«
    »Genau aus diesem Grund stehen wir hier …«
    »… und verdursten, wenn es nicht bald etwas zu trinken gibt. Es ist ein lauwarmes, weich gewordenes Land, dieses Italien. Zu wenig Frost und nicht einmal richtige Kämpfe, wenn die bewaffneten Haufen aufeinandertreffen! Sie handeln viel lieber und lassen sich doppelt bezahlen, statt ihren Mann zu stehen! Und selbst der Wein hier schmeckt verwässert gegen den ungarischen.«
    »Wenn Ihr darauf besteht, reiten wir heute noch dorthin, wo sich Euer Zorn ein wenig ertränken lässt.«
    »Nichts wäre mir lieber, offen gesagt«, seufzte Johann Thurzo. »Und wenn sich die Kinderchen nicht gewünscht hätten, einmal im Leben ihre Alabasterkörper an den Gestaden des Mittelmeers zu sonnen, wäre ich niemals gekommen.«
    »Das wiederum hätte Euch und mir einen Weg versperrt, den wir gemeinsam in die Zukunft gehen können.«
    »Ich habe längst freie Auswahl unter Euch Kaufleuten aus Augsburg, Kufstein, Nürnberg oder Ravensburg«, meinte Johann Thurzo und spuckte auf den Boden. »Ihr glaubt doch alle, dass Ihr nur mit Eurer prall gefüllten Geldkatze winken müsst, um diesen Toren Thurzo wie mit dem Honigtopf zu locken. Nein, Meister Fugger, ein Johann Thurzo weiß, wie viel er wert ist …«
    »Ich dachte mir schon, dass Ihr nicht leicht zu gewinnen seid«, meinte Jakob und lächelte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ging langsam auf und ab. Es war ein einfacher, aber noch immer wirksamer Weg, um einen anderen, der sich stark, ebenbürtig oder sogar überlegen fühlte, wie mit einer langen, unsichtbaren Leine an sich zu binden und seinen Kopf mit seiner ganzen Aufmerksamkeit hin und her zu lenken. Wer vor dem anderen auf und ab ging, bestimmte selbst das Tempo und die Richtung desjenigen, der stand.
    Doch dann erkannte Jakob, dass Thurzo kein

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