Jakob der Reiche (German Edition)
störte ihn eigentlich an Sibylle Artzt? Er fand es nicht heraus.
Jakob wandte den Kopf und sah prüfend ihre ebenfalls übertrieben festlich gekleidete Mutter an. Er kam sich plötzlich vor wie ein Gewürzhändler, der den Verdacht hegt, dass ein Sack kostbaren Gewürzpfeffers unter einer dünnen Schicht Pfeffer etwas ganz anderes enthält.
»Lass das doch, Sibylle«, mahnte ihr Gemahl. »Wir wollen heute nur feiern, dass unser lieber Doktor Peutinger jetzt die ehrenvolle Stelle erhalten hat, die keinem anderen besser ansteht als ihm.«
Er neigte sich zu Peutingers Verlobter und radebrechte einige lateinische Vokabeln, die er aufgeschnappt hatte. Jedermann wusste, dass sich Margaretha fast ebenso gut in Conrad Peutingers lateinischen Schriften auskannte wie er selbst. Zudem galt sie als Kennerin römischer Münzen.
»Ich höre, dass ihr Fugger jetzt immer mehr Ablassgelder und Peterspfennige für Rom einsammelt«, sagte sie nach Fisch und Fleisch wie beiläufig zu Jakob. »Ihr wisst ja, dass ich mich für diese Dinge interessiere. Deshalb frage ich dich, ob es nicht möglich wäre, dass ihr mir diejenigen Münzen zur Ansicht aussondert, deren Wert ihr nicht bestimmen könnt, weil sie zu alt und keine gültigen Zahlungsmittel mehr sind.«
»Belästige unseren Freund Jakob heute Abend doch nicht mit derartigen Dingen«, bat Peutinger.
»Nicht jedes Weib ist hübsch und anmutig genug, dass allein ihr Liebreiz ausreicht, um versorgt zu werden«, meinte Margaretha Welser lächelnd.
Jakob lächelte ebenfalls. »Auch wenn es nicht um einen Beitrag zur Mehrung des Vermögens geht, sollte es einem Weib, wenn es in den Ehestand gelangt, doch möglich und erlaubt sein, den eigenen Neigungen zu folgen.«
»Das heißt, du würdest einer jungen Frau neben der Versorgung mit allem Notwendigen auch Raum für eigene Interessen geben?«, fragte Sibylle Artzt sofort.
»Ja, warum nicht?«, antwortete Jakob arglos. »Wenn man wie ich viel unterwegs ist und manchmal noch eine ganze Kerze über den Büchern aufbraucht, wäre es doch eine Strafe, wenn ein junges Eheweib immer wieder untätig auf den Angetrauten warten müsste.«
Zum ersten Mal hob Sibylle Artzt den Kopf. Ihr Blick traf sich mit dem von Jakob. Es war kein Glühen, kein Erröten in ihrem anmutigen Gesicht. Er hatte plötzlich das Gefühl, als würde sie in all der Strenge und Selbstbeherrschung seines Wesens nach einem Lächeln und einer ausgestreckten Hand suchen. Jakob war sich längst darüber klar, dass auch sie wusste, warum die Eltern sie ins Haus von Conrad Peutinger mitgenommen hatten.
Jakob akzeptierte den Vorschlag, den Conrad und seine anmutige Verlobte für ihn vorbereitet hatten. Das Einzige, was ihn an Sibylle Artzt störte, war die peinliche und viel zu offenkundige Sucht der Mutter, sich mit großen Namen wie den Medici zu schmücken. Derartige Einflüsse konnten sehr störend auf den Frieden einer Ehe wirken. Sibylle Artzt war keine Wahl, die sein Herz höherschlagen ließ. Aber er hatte auch keine Einwände gegen ihre Herkunft, ihren Ruf, ihr Erscheinungsbild und ihr gesamtes Wesen.
Sie blickten sich noch einmal – und diesmal lange – in die Augen. Er nickte leicht, dann blickte er zum Hausherrn. Conrad deutete an, dass er ihm noch etwas sagen wollte, sobald sie sich unter vier Augen sprechen konnten. Doch dazu kam es nicht mehr.
Zum Jahreswechsel auf das Jahr 1498 stand Jakob Fugger vor zwei Entscheidungen, die sowohl ihn ganz persönlich als auch den Fortbestand des gesamten Handelshauses betrafen. Er musste unbedingt nach Innsbruck und sich dort selbst um die Kupferangelegenheiten kümmern. Aber zuvor regelte er die Sache mit der Heirat. Zwei Nächte lang überschlief er die Angelegenheit. Eigentlich wollte er nicht, doch irgendwann musste er Abschied nehmen von seiner wehmütigen Schwärmerei, die ihn ein halbes Leben lang begleitet hatte.
Es gab für ihn und die Königin von Zypern keine Brücke, über die sie zueinander gehen konnten. Von der Fuggerkammer im Fondaco dei Tedeschi zum Palazzo Cornaro und in die Gemächer Caterinas gab es keinen gangbaren Weg. Was Königen und Herzögen gelingen konnte, war für ihn als Kaufmann völlig ausgeschlossen. Nachdem er all das Für und Wider abgewogen und in Herz und Kopf bewegt hatte, ging er kurz vor dem ersten Sonntag der Adventszeit zum Haus von Conrad Peutinger.
»Ich werde Sibylle Artzt bereits Anfang des nächsten Jahres zu meinem Weibe nehmen«, sagte er nur, nachdem sie in der
Weitere Kostenlose Bücher