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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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Ungarn nehmen können, aber das hätte eine wochenlange Abwesenheit vom Kontor in Augsburg bedeutet. Auf einen solchen Leichtsinn wollte er sich trotz aller anderen Gefahren nicht einlassen. Denn Ulrich erschien bereits seit einiger Zeit nicht mehr im Kontor. Der Achtundsechzigjährige war bettlägerig geworden.
    Als jüngster unter den Brüdern hatte Jakob nie sonderlich über sein eigenes Alter nachgedacht. Beinahe unmerklich waren die Jahre in steter Wiederkehr der Jahreszeiten und der kirchlichen Feste, der Morgen- und Abendmessen und mit Geburt und Tod in der Familie an ihm vorbeigezogen. Und doch wunderte er sich ein wenig, als er am 6. März 1509 seinen fünfzigsten Geburtstag beging.
    Vier Wochen später erfuhr er in Peutingers Haus, dass Melchior von Meckau während Zinks Abwesenheit das Zeitliche gesegnet hatte.
    »Bist du ganz sicher?«, fragte er den fahrenden Studenten, der dort für ein paar Tage und einige kostenlose Mahlzeiten untergekommen war. Erst an diesem Abend war beim Nachtmahl die Sprache auf die römischen Kardinäle gekommen. Conrad Peutinger hatte sofort begriffen, was das bedeutete, und nach Jakob geschickt.
    »Ja, ich weiß zuverlässig, dass Kardinal Melchior von Meckau am dritten März nach einem kurzen Unwohlsein verstorben ist«, wiederholte der junge Student der Rechte. »Er hat nur noch ein kleines Testament vor einem Notar aufsetzen können, in dem er all sein Vermögen dem deutschen Hospiz in Rom vererbt hat …«
    »Unmöglich!«, unterbrach Conrad Peutinger. Er blickte Jakob an und verstand plötzlich die ganze Tragweite des Vorfalls. »Was geistliche Herren hinterlassen, gehört nach dem Kirchenrecht der Kurie … und bei Kardinälen sinnvollerweise dem Vatikan!«
    Jakob spürte, wie das Blut in seinen Ohren hämmerte, während er weiter dem Studenten zuhörte. Es war ein Zettelchen, ein kleiner, kaum einen Finger langer Streifen Büttenpapier mit seiner Unterschrift, der ihn jetzt umbringen und dem Bankrott ausliefern konnte: ein Schuldschein.
    Jakob musste nicht lange rechnen. Was dieser Schuldschein bedeutete, hatte er im Kopf: Das Guthaben des toten Kardinals in der Fuggerschen Bank betrug hundertdreiunddreißigtausend Gulden, die Zinsen noch nicht eingerechnet. Das waren drei Viertel des gesamten Gesellschaftskapitals. Und der Heilige Vater würde ihnen nicht einen einzigen Guldiner oder Tirolino dieser Einlage erlassen!
    »Wer weiß noch davon?«, fragte Jakob den Studenten. Der hob nur langsam die Schultern. Er konnte nicht verstehen, warum der reiche Handelsherr plötzlich so verstört aussah. »Alle wissen es, selbst die Gesandten der Republik Venedig. Auch diese Sache mit dem Schuldschein über zweihunderttausend Gulden im Ärmel des toten Kardinals.«
    Jakobs Mundwinkel zuckten. »Zweihunderttausend?«, wiederholte er empört und wollte aufspringen.
    »Die Gerüchte werden schon bald dreihunderttausend daraus machen«, sagte Peutinger mit einem tiefen Seufzer. Jakob presste die Lippen zusammen und nickte.
    »Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass Zink nicht betrunken, sondern bei klarem Verstande war, als es passierte!«, stieß er dann aus tiefstem Herzen hervor. »Alles muss annulliert werden – das Testament im Sterbebett ebenso wie dieser Schuldschein! Selbst wenn er drohen muss, keine Münzen mehr für den Papst zu schlagen …«
    »Meinst du nicht, dass du selbst in Rom mehr erreichen könntest?«, fragte Peutinger. Jakob schürzte die Lippen, dachte scharf nach und schüttelte schließlich den Kopf.
    »Ich kenne diesen Rovere-Papst jetzt seit dreißig Jahren. Er würde mich mit allen Ehren empfangen und dann in Rom so lange hinhalten, bis ihm persönlich das ganze Handelshaus und die Fuggerbank gehört.«
    »Dann bleibt dir außer dem Dogen Loredan nur noch der Kaiser«, stellte Peutinger scharfsinnig fest. »Der eine sitzt auf seinen Inseln in der Lagune in der Falle, und der andere hat kein Geld, wenn du es ihm nicht leihst.«
    Jakob presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie weiß wurden. Er wusste viel zu gut, dass Conrad recht hatte. Aber viel schlimmer als die unvermittelt wie ein Ungeheuer aus den Tiefen der Ozeane auftauchende Meckau-Schuld war ihre alles vergiftende Ausdünstung. Jakob war klar, dass der Papst seine Forderung gegen die Fugger nur ein einziges Mal öffentlich äußern musste, um ihn zu vernichten. Bei Licht besehen, hatte er nur noch zwei Möglichkeiten: Er musste sich irgendwoher und in aller Heimlichkeit diese Riesensumme

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