Jakob der Reiche (German Edition)
Geld beschaffen oder alles bestreiten.
Bisher wusste niemand, dass er Meckaus Einlagen und ihre Zinsen nicht bezahlen konnte. Sein Verstand arbeitete fieberhaft: Die Grafschaft Kirchberg und andere Länderein beleihen oder verkaufen – vielleicht vierzig-, fünfzigtausend Gulden. Sybilles Burgunderschmuck zu einem Spottpreis an den Sultan von Kairo oder gar direkt an den Heiligen Vater in Rom übergeben – zu viel Zeitaufwand. Anleihen bei den Vertrauten von Innsbruck bis zum Fondaco aufnehmen, Bergrechte am Kupfer, Blei und Silber meistbietend verschleudern?
Letzteres wäre sofort möglich. Doch dann erinnerte er sich daran, dass Lukas Fugger vom Reh an einem einzigen Darlehen an die Habsburger zugrunde gegangen war – an einer rechtmäßigen und zum Schluss wertlosen königlichen Unterschrift über die Verpfändung einer reichen niederländischen Stadt. Das war der eigentliche Fluch. Solange die Geschäfte gut gingen, konnte jeder leihen und beleihen, ohne dass irgendjemand seine Geschäfte in Frage stellte. Sie gingen gut, weil jeder glaubte, dass sie bei ihm gut gingen.
Ein einziges Gerücht aber, dass der Herr Fugger nicht mehr bei Gelde sei, würde eine Lawine auslösen, die alles unter sich begraben konnte.
Als Jakob an diesem Abend in sein Haus zurückkehrte, traf er an der Tür auf seine Frau Sibylle. Draußen nieselte es, aber sie hatte nur ein Tuch übergeworfen.
»Du gehst ohne Begleiter mit Laterne durch den Abend?«, fragte er verwundert. »Hätte der Rehlinger dich nicht geleiten können?«
»Sein Weib bekommt gerade wieder ein Kind«, sagte sie.
Jakob knurrte unwillig. »Ist es das siebente oder bereits das achte?«, fragte er und hob gleichzeitig die Hand. »Nein, schweig! Ich will es überhaupt nicht wissen. Und auch nicht, was dich zu ihm oder der Mutter treibt.«
Für einen Augenblick dachte er daran, dass auch er selbst allmählich ein Testament machen musste. Er wollte nicht, dass es ihm so erging wie dem unglücklichen Kardinal Meckau. Und er wollte vor allem nicht, dass Sibylle mehr erbte als unbedingt erforderlich. Sie nicht und nicht der Rehlinger. Während sie nebeneinander die Treppe hinaufgingen, beschloss Jakob Fugger, seinen Neffen Anton, Georgs Sohn, zu seinem Erben zu bestimmen.
Doch um ihm überhaupt etwas hinterlassen zu können, durfte er jetzt keinen Fehler machen. Er war bankrott, aber er hatte noch immer seinen guten Ruf als bestes Kapital. Solange dieser Ruf hielt, konnte ihm nichts passieren!
Die Eheleute verabschiedeten sich nur kurz, als sie oben ankamen. Sie ging zu ihren eigenen Gemächern, die er nie wieder betreten hatte, und er ließ sich das Barett und den kurzen Mantel von einem Diener abnehmen, während er schon ins Kontor ging.
Und dann begann er, ein Feldherr im Reich des großen Geldes, seine bisher schwerste Schlacht.
Jakob Fugger traf Kaiser Maximilian Mitte April nach seiner Rückkehr vom Reichstag in Worms. Der Habsburger lud ihn noch am Abend seiner Ankunft in Augsburg in sein Quartier ein. Jakob Fugger hatte nicht um eine Audienz gebeten, dennoch wusste er, wie entscheidend die Gespräche in den nächsten Stunden für ihn, für Maximilian, für Venedig und für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sein würden. Die beiden Männer begrüßten sich mit aufrichtiger Zuneigung.
»Mein Graf«, sagte Maximilian aufrichtig erfreut.
»Mein Kaiser«, gab Jakob Fugger zurück und verneigte sich. Maximilian verwies mit einer kurzen Handbewegung alle Berater und Dienstboten aus dem großen Raum. Jakob fand, dass der Kaiser unpassend gekleidet war. Mit seinem glänzenden Brustharnisch sah er aus, als gehe es zu einem Turnier. Aber auch Jakob trug nicht die Kleidung, wie sie in den Städten Süddeutschlands üblich war, sondern Feingeschneidertes mit sehr viel Seide aus Venedig.
Sie nahmen Platz, und Maximilian schob seinem Bankier eigenhändig eine Silberschale mit Gebäck über den Tisch, der zwischen ihnen stand. Jakob hatte eine verschnürte Pergamentrolle mitgebracht, legte sie aber zunächst ungeöffnet auf den Tisch.
»Du kannst entscheiden, worüber wir ein wenig schwatzen wollen«, sagte Maximilian angriffslustig. »Aber vergiss nicht, dass ich noch immer gegen die Republik von San Marco im Krieg stehe. Der Doge hat inzwischen alle Forderungen des Papstes abgelehnt. Deshalb hat Julius II . inzwischen ebenfalls den Vertrag der Liga von Cambrai unterschrieben. Das heißt, auch Ferrara, Mantua und die Florentiner werden gegen Venedig
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