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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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miterlebt hatte.
    »Dies ist natürlich keine förmliche Zusammenkunft«, sagte der Bürgermeister, nachdem sie alle Platz genommen hatten. »Ich sehe es vielmehr als eine Ehre an, wenn ich von Zeit zu Zeit mit Kaufleuten aus aller Welt sprechen kann, denen auch meine Stadt zu einem wesentlichen Teil ihr Ansehen verdankt.«
    Während Bedienstete Platten mit Krammetsvögeln, Brotkörbe und Obst auf die Tische stellten, sprach der Bürgermeister von Antwerpen weiter: »Ihr alle wisst, dass viele unserer Städte zur Hanse gehören. Allerdings haben wir große Schwierigkeiten mit England und neuerdings auch mit Köln. Ich möchte die Herren daher bitten, in erster Linie das Wohl von uns allen und den freien Handel im Auge zu behalten. Das ist im Augenblick nicht sehr einfach, weil sich zu allem Unglück auch Frankreich und Teile unseres Adels in den burgundischen Landen gegen Kaiser Friedrich  III . und seinen Sohn Maximilian stellen. Die Habsburger sind einfach zu herrschsüchtig geworden. Besonders in Brügge sind viele der Bürger erbost und würden lieber zu Frankreich gehören. Nur Maria von Burgund zuliebe halten noch alle still.«
    »Und wenn ihr etwas zustoßen sollte?«, fragte Jakob dazwischen. Im selben Augenblick ärgerte er sich über seine Unbeherrschtheit. Für einen Augenblick wandten sich ihm alle Köpfe zu. Der Bürgermeister von Antwerpen rettete ihn aus der peinlichen Situation.
    »Auf ebendiesen Punkt wollte ich gerade zu sprechen kommen«, sagte er schnell. Jakob hielt für einen Moment die Luft an, dann atmete er leise und erleichtert aus.
    Während der Bürgermeister über Handelsschranken und Behinderungen durch das englische Königshaus klagte, beobachtete Jakob jeden einzelnen der anwesenden Männer. Einige ignorierten ihn, aber andere lächelten ihm zu. In der folgenden Stunde fiel ihm auf, dass nicht alle mit den Ansichten des Bürgermeisters einverstanden waren. Er wartete, wann einer ein Zucken der Mundwinkel zeigte, wann sich eine Augenbraue bewegte und wann Nasenflügel schmaler wurden. Gleichzeitig bewunderte er die Selbstbeherrschung, mit der sich diese Kaufherren zurückhielten. Wenn er jemals ebenso gut wie sie werden wollte, musste er üben, auch sein Gesicht bis zum letzten Muskel zu beherrschen.
    »Deshalb sage ich, dass Köln aus der Hanse ausgeschlossen werden muss, wenn diese Stadt weiterhin gemeinsame Sache mit den Engländern macht«, forderte jetzt der Bürgermeister. »Und dann gilt, dass kein anständiger Kaufmann weiter mit Köln handeln darf. Wir werden von hier aus dafür sorgen, dass die Kölner keine Heringsfässer mehr bekommen. Außerdem sollte das Kölner Privileg gebrochen werden, durch das sämtliche Waren auf dem Rhein in Köln umgeladen werden müssen.«
    »Und das auch nur, weil Schiffe mit großem Tiefgang von dort an nicht weiter stromauf fahren können!«, warf einer der Handelsherren ein. »Drei Tage lang muss alles in Köln zum Verkauf angeboten werden, ehe unsereins weiter flussauf fahren darf!«
    Jakob wurde plötzlich wieder wach. Zum ersten Mal hörte er davon, dass die Kölner mit der gleichen Methode arbeiteten wie die Herren von San Marco im deutschen Haus von Venedig. Auch im Fondaco wurden die besten Gewinne nicht durch geschicktes Handeln, sondern durch den Zwang zum Warenumladen erwirtschaftet …
    Der Abend im Rathaus von Antwerpen wurde noch lang und die Bierkrüge immer schwerer. Trotzdem achtete Jakob weiter auf die Worte, die am häufigsten fielen. Neben der Hanse und Köln, den Franzosen und den Habsburgern blitzten immer wieder unterschiedliche Bezeichnungen für die Metalle Silber und Kupfer in den Gesprächen auf.
    Es war schon spät, als Jakob seinem Nachbarn zur Linken, einem trinkfesten westfälischen Dickschädel, sechzig Ballen gelbe Seide aus Venedig per Handschlag und zum Doppelten des Einkaufspreises im Fondaco plus Transportkosten bis nach Lemgo verkaufte, anschließend auch noch dem Bürgermeister von Antwerpen zwanzig Zentner braunen Rohrzucker aus Zypern, zu liefern in den kegelförmigen Leinensäckchen, in denen sich der Zucker beim Filtern abgesetzt hatte.
    »Silber und Kupfer«, murmelte er dennoch, als er nach Mitternacht in eine der bereitstehenden Sänften vor dem Rathaus wankte und sich zur Faktorei am Hafen zurückbringen ließ, immer nur »Silber und Kupfer«.
    Jakob verschob seinen Besuch in Brügge auf eine spätere Reise. Zurück in Augsburg, berichtete er seinem Bruder von allem, was er unterwegs gehört

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