Jakob der Reiche (German Edition)
fast als eine großmütige Geste.«
»Trotzdem kann er nicht einmal die Hälfte dieser Summe in den Kassen seines Landes zusammenkratzen«, stellte Hans Suiter fest. »Von den Augsburger Kaufleuten, die sonst so gern Kredit für ein Schürfrecht, ein Privileg beim Zoll oder einen unverschämt hohen Zinssatz angeboten haben, will ihm keiner mehr Geld geben. Ich selbst habe dem Erzherzog zweihundert Gulden angeboten, aber selbst der Obristhauptmann hat inzwischen seine Kästen zugeschlagen und gesagt, dass er dem Land und dem Erzherzog in diesem Herbst bestenfalls mit einigen Hundert Gulden aushelfen könnte. Nicht einmal Albrecht von Bayern hat bisher auf Sigismunds Hilferufe geantwortet.«
»Und seine Wiener Verwandten?«, fragte Jakob Fugger. »Was sagen Friedrich und König Maximilian dazu?«
»Die haben es längst abgelehnt, Sigismunds Verschwendungssucht in irgendeiner Form zu unterstützen. Sie nehmen ihm außerdem immer noch übel, dass er die gefälschte Heiratserlaubnis für Kunigunde anerkannt hat.«
»Zweihundert Gulden von dir«, überlegte Jakob Fugger. »Dazu noch ein paar Hundert von seinem Finanzverwalter. Man müsste einmal zusammenzählen, was der Münzmeister von Hall, verschiedene Bergwerksbesitzer, einige Abteien und Klöster und die Erzbischöfe von Salzburg und Brixen drauflegen könnten.«
»Den Teufel werden sie alle tun!«, schnaubte Hans Suiter verächtlich. »Jeder Tiroler weiß ganz genau, dass er nicht einen Kreuzer zurückbekommt – ganz gleich, wie viele Gulden und Silberbarren er für die Rettung unseres Landesherrn eingezahlt hat. Nein, Jakob, Erzherzog Sigismund ist am Ende. Diesmal rettet ihn niemand mehr, wenn du es nicht kannst.«
»Wie viel wird bis morgen Mittag zusammenkommen?«
»Alles in allem höchstens fünfzigtausend.«
»Also in etwa die Hälfte«, sagte Jakob und nickte. »Und die Kufsteiner? Was weißt du vom Baumgartner?«
»Genau die sind es, die mir als Einzige Sorgen machen«, seufzte Hans Suiter. »Ich bin ganz sicher, dass ihnen nichts lieber wäre, als den Erzherzog ganz in ihre Hand zu bekommen. Trotzdem weiß ich nicht, ob sie vielleicht nur darauf warten, was ihr Fugger unternehmt …«
Jakob blickte lange in die leicht rauchende Flamme der Bienenwachskerze, die auf dem Tisch zwischen ihm und Suiter stand.
»Rund fünfzigtausend Gulden«, sagte er dann. »Zahlbar innerhalb weniger Tage, wenn ich mich nicht irre. Das ist weit mehr, als ich allein zu verantworten vermag.«
Er nahm einen letzten Schluck Wein. »Dennoch!«, sagte er dann. »Ich gebe Erzherzog Sigismund fünfzigtausend und noch ein paar Hundert mehr, falls es daran mangeln sollte. Doch dafür will ich sämtliche Bergschätze übereignet haben, die er noch zu bieten hat.«
Im Alten Schloss in Innsbruck liefen die Berater und Bediensteten des Erzherzogs laut schwatzend von einem Raum in den anderen. Sie beachteten ihn kaum noch, und auch er machte den Eindruck, als würde er keinen von ihnen sehen. Vor sich einen Teller mit halb abgenagten Geflügelknochen und die schon altersfleckige Hand an einem mächtigen Weinhumpen, hockte Sigismund seit Stunden in seinem gewaltigen Thronsessel. Zu beiden Seiten stützten bunte Kissen seinen schweren, aufgeschwemmten Körper.
Nur zehn Schritte entfernt hatten Jakob, vom Ross und Suiter weitere Stühle und Tische im Nebensaal aufstellen lassen. Eigentlich gehörten alle Zimmer im ersten Geschoss König Maximilian. Trotzdem hatte Jakob die Räume für den kurzen Aufenthalt von Erzherzogin Kunigunde auf seine Kosten renovieren lassen. Schon deshalb riskierte er, dass vom Ross einige ihm ergebenen Bewaffnete vor den Eingängen aufstellte. Sie sollten dafür sorgen, dass nur diejenigen eingelassen wurden, denen Jakob zustimmte.
Ganz so, als ob es den weinseligen Erzherzog überhaupt nicht mehr gäbe, verhandelten die drei Verschwörer mit anderen, die in den vergangenen Jahren zu Gläubigern des Tiroler Landesfürsten geworden waren. Stunde um Stunde verrann. Eine Verhandlung folgte der anderen. Erst als die Sonne gerade hinter den Berggipfeln im Westen unterging, war es geschafft.
»Einhunderttausend«, sagte Jakob. Er zog einen Strich unter die Zahlen in der Liste vor sich und schrieb in sauberen arabischen Ziffern die Eins mit den fünf Nullen darunter. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die riesige Anzahl der Gulden stets nur als ausgeschriebenes Wort und noch nie in arabischen Ziffern vor sich gesehen hatte. Es gab nun einmal keine Null in der
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