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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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noch ruhig bleiben, als er schnellen Hufschlag durch die ersten Rufe der Gemüseweiber auf dem Markt hörte. Es war der Tassis-Reiter, der bereits in aller Frühe durch die Straßen von Augsburg ritt und an der Poststation am Jakobertor vom Pferd sprang.
    Jakob beeilte sich. Als er noch zwanzig, dreißig Schritte von der Station entfernt war, stürzte bereits der Postmeister aus dem Haus. Er schwenkte ein gefaltetes und an drei Stellen versiegeltes Stück Papier.
    »So ein Zufall, Herr!«, rief er Jakob entgegen. »Ich wollte mich gerade aufmachen und diesen Brief so schnell wie möglich zum Haus am Rohr bringen.«
    Jakob gab dem Postmeister zwei Münzen.
    »Eine für dich und eine für den zuverlässigen, guten Mann dort«, sagte er. Dann drehte er sich so um, dass die beiden anderen ihn nicht sehen konnten, und zerbrach die Siegel. Das Schreiben von Hans Suiter, dem ehemaligen Bürgermeister von Innsbruck, war nur kurz. Mit großer, ans schöne Unterschreiben gewöhnter Schrift teilte er Jakob nach kurzer Anrede das mit, worauf der bereits drei Jahre lang gewartet hatte:
    »Das Wappentier des Evangelisten Markus fletscht nicht nur die Zähne, sondern schwingt jetzt auch die Flügel. Wenn es mit seinen Tatzen zuschlägt, verliert der Adler seine schönste Beute. Wenn du ihn retten willst, dann komm so schnell wie möglich selbst zu seinem Horst.«
    In dem Augenblick erkannte Jakob, dass es diesmal nicht um Wochen oder Monate, sondern bestenfalls um Tage oder Stunden ging. Er hatte sofort verstanden, was ihm Hans Suiter in seiner blumigen Sprache mitgeteilt hatte. Der geflügelte Löwe von San Marco hatte die Geduld verloren. Er ließ nicht länger zu, dass sich Erzherzog Sigismund von Tirol willkürlich über Vereinbarungen und Handelsbräuche hinwegsetzte. Der Schlag gegen die Bleigruben von Primör war die letzte Drohung des Dogen von Venedig gewesen. Durch den Überfall auf den Markt von Bozen hatte der Tiroler Landesherr sein Konto überzogen.
    »Jetzt hast du keinen Ausweg mehr, Erzherzog«, murmelte Jakob Fugger. »Denn jetzt musst du bezahlen, was Venedig von dir fordert. Und genau das kannst du nicht, wenn ich dich nicht rette!«
    Der Postreiter war nicht über München gekommen, sondern hatte die kürzere, aber anstrengendere Strecke über Seefeld und Mittenwald genommen. Jakob Fugger wählte denselben Weg. Eigentlich hätte es ihn gereizt, von Lechfeld aus einen Abstecher zum Dorf Graben zu reiten – dem Ort, in dem seine Vorfahren als Bauern gelebt hatten und von dem sie als Weber nach Augsburg aufgebrochen waren. Doch dafür hatte er jetzt keine Zeit.
    Jakob hatte sich das beste Pferd des Postmeisters in Augsburg geholt, aber es fehlte ihm an Übung. Dennoch glaubte er, dass er die hundert Meilen von Augsburg nach Innsbruck fast so gut wie ein Postreiter schaffen konnte und noch vor Mitternacht in der Hauptstadt Tirols eintreffen würde. Bis Landsberg kam er sehr gut voran. Kurz vor Ramsau gab es einen Aufenthalt. Hier herrschte ein großes Durcheinander auf der Straße und in den Büschen rechts und links.
    »Was ist passiert?«, rief Jakob Fugger, als er näher kam.
    »Ein Überfall!«
    »Mindestens zehn Mann. Und mit verdammt guten Waffen, diese Teufel!«, fluchte einer der Fuhrknechte und drückte sich eine Handvoll Werg gegen die blutenden Wunden an seinem Kopf. Jakob entdeckte zwei Erschlagene am Straßenrand.
    »Das waren die Gefährten und Waffenknechte von irgendeinem Raubritter«, jammerte ein junges Mädchen auf der anderen Seite der Straße. Jakob bemerkte sie erst jetzt. Sie war kaum fünfzehn Jahre alt und hielt sich ihr zerrissenes Mieder vor der Brust zusammen. Für einen Augenblick fragte sich Jakob, warum die Räuber sie nicht mitgenommen hatten. Dann sah er, dass nur einer der beiden Wagen leer geräumt war. Die Ladung des zweiten war noch mit ledernen Planen und Seilen verspannt.
    Jakob verstand nicht, warum die Räuber gerade an diesem Wagen die Pferde gestohlen hatten, während sie die Zugtiere des anderen Wagens, auf dem nur ein paar Ballen und kleine Fässer zurückgeblieben waren, erschlagen hatten.
    »Wer hat die anderen Pferde ausgespannt?«, fragte er den blutenden Pferdeknecht. »Hat jemand die Strauchdiebe gestört? Warum haben sie nur eine Wagenladung geraubt und vom anderen die Pferde?«
    »Sie hatten leichtere Wagen mit«, antwortete er. »Zweirädrige Karren, die von einem Pferd gezogen werden können. Für unsere Wagen sind die Wege durch das Gebüsch und durch den

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