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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Jakobsweges. Meine Blase drückte und ich wollte Erleichterung auf dem WC meines zuvor besuchten Restaurants suchen, als plötzlich die Tage zuvor kennengelernte Schwäbin vor mir stand. Nach einem Halli und Hallo verplapperten wir uns.
    Als ich mich endlich losreisen und verabschieden konnte und aufbrechen wollte, fing es an zu regnen. Ohne, dass ich den Beschluss vorgefasst hätte, begab ich mich spontan wie von Geisterhand geführt zum vorgenannten Hotel und nahm mir ein Zimmer für eine Nacht. Zuerst stand das überfällige Wäschewaschen an. Ich wagte erstmals, meine schon seit langem stinkende Jacke durch die Waschlauge zu ziehen. Nach getaner Arbeit legte ich mich selbst in die Badewanne. Welch eine Wohltat! Um nun auch noch völlig in Widerspruch zur Tradition des Jakobsweges nämlich zur Bescheidenheit zu treten, zog ich meine besten Kleider an und begab mich ohne Anflug eines schlechten Gewissens hinunter in den noblen Speisesaal des Hotelrestaurants. Ich dinierte köstlich. Als Vorspeise wählte ich eine kastilianische Suppe, als Hauptspeise Kalbsbeefsteak mit Pommes frites und als Nachspeise einen Pudding. Um mir diesen Augenblick in Erinnerung zu halten, bat ich die Bedienung, von mir ein Photo zu machen, denn ich saß wie üblich alleine am Tisch und wollte die übrigen Gäste an den Nachbartischen nicht belästigen. Erstmals war ich in meinem Sonntagsstaat abgelichtet. Wer vermag schon zu verneinen, dass auch dieses Gott gefällig ist?
     

Donnerstag, den 27.05.:
     
    Nach den gestrigen, läppischen 14,5 Tageskilometern war ich heute früh voller Tatendrang. Ich sprühte förmlich vor Vitalität; allerdings nicht sehr lange. Musste ich doch beim Zuschnüren meiner Wanderstiefel feststellen, dass der rechte ca. 3 cm zur Sohle hin eingerissen war, was zur Folge haben dürfte, dass ich mit diesem Schuhwerk nicht in Compostela ankommen werde. Nichts desto trotz marschierte ich los, um im ca. 3,5 km entfernten Población de Campos meinen Milchkaffee nebst einem kleinen Happen Gebäck zu mir zu nehmen. Ich musste mich immer wieder darüber wundem, wie die Spanier bei so einem kärglichen Frühstück den Tag über so hart arbeiten können.
    Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien, der Himmel präsentierte sich im schönsten Blau mit vereinzelten, schneeweißen Schäfchenwolken und es ging ein laues Lüftchen. Vorbei war das trübe gestrige Wetter und auch meine trübsinnige Stimmung.
    Vorbei an Hainen, Feldern und Wiesen, entlang des mit Schatten spendenden Weiden, Pappeln und Espen bewachsenen Ufers des Flusses Ucieza führte mein Weg unter dem Gesang von Nachtigallen zur Eremitage de la Virgen del Rio, wo ich mich zu Mittag stärkte. Wie üblich zündete ich mir eine Verdauungszigarette an, um genüsslich den Rauch zu inhalieren. Vom Genuss jedoch schmeckte ich wenig, besser gesagt: Sie schmeckte nach gar nichts! Ein junger Mann kam um die Gebäudeecke der Eremitage auf mich zu und sprach mich auf Deutsch an. Wie sich während unseres Gespräches herausstellte, wartete er mit seinem hinter der Eremitage geparkten Omnibus auf eine Karlsruher Seniorenwandergruppe. Zum Abschluss spendierte er mir einen Becher Kaffe aus seiner Thermoskanne.
    Unweit der Eremitage betete ich in der Kirche Santa Maria la Bianca der ehemaligen Siedlung des Templer-Ordens namens Villalcázar de Sirga. Augenfällig war die monumentale um nicht zu sagen schon wehrhafte Fassade. Der Kircheninnenraum war mit leisen gregorianischen Gesängen aus Lautsprechern erfüllt, was die
    Wirkung dieser gotischen Kirchenarchitektur ungeheuerlich verstärkte. Ich hatte das Gefühl, eingeengt durch die beidseitigen Kirchenmauern förmlich in Richtung Himmel emporgehoben zu werden.

    Mein Weg führte mich weiter durch die weite Ebene des Landschaftsstriches der Tierra de Campos. Obgleich ich bereits um 15.15 Uhr in der Ortschaft Carrión de los Condes ankam, wagte ich trotz des schönen Wanderwetters nicht, meinen Weg fortzusetzen. Nach den Ausführungen meines Reiseführers gibt es auf den nächsten 17 km keine Unterkunftsmöglichkeit. So blieb mir also nichts anderes übrig, als mich hier für heute Nacht nieder zu lassen.
    Gerne hätte ich in der authentischen Pilgerunterkunft im Kloster Santa Clara (13. Jhd.) genächtigt, allerdings wurde ich wegen Überbelegung abgewiesen. Auch wurde mir im sehr schönen Klosterinnenhof, dessen eine Seite mit einem Arkadengang und die Seite gegenüber mit einer Pergola versehen war, mein Mitgebrachtes zu

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