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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Bequemlichkeit übermannt, so dass ich bei sechs Gläsle frisch gezapftes, kühles Bierle am Tresen der Restaurantbar ausspannte. Ich forderte immer wieder den Umstand heraus, nicht rechtzeitig die nächste Herberge bzw. die nächste Unterkunftsmöglichkeit erreichen zu können. Warum nur? Bin ich schon derart dem schwäbischen Sicherheitsdenken entrückt? Ich muss doch noch meine Klamotten waschen! Und vor allem auch austrocknen lassen! Suche ich nur einen Rechtfertigungsgrund dafür, eine Nacht lang im Freien verbringen zu können! Oder liegt in mir etwas anderes, von mir seither nicht wahrgenommenes oder gar ein nicht wahrhaben wollendes Verlangen? Ich weiß es nicht! Um dieses herauszufinden, habe ich meinen heutigen Carnes in diesem Restaurant, das zu einem Hotel gehört, eingeholt, damit meine tägliche Pilgerschaft beweisbar bleibt. Und wieder einmal war mein Wunsch zum Weitermarsch größer als derjenige, hier mein Nachtlager aufzuschlagen.
    Hernach machte ich mich auf den Weg, mir die hiesige Kirche San Martin etwas genauer anzuschauen Lt. meinen beiden Reiseführern handelt es sich um ein Meisterwerk der frühen Romanik (11. Jhd.), das insbesondere durch seinen Skulpturenschmuck besticht. Der romanische Baustil kam angeblich auf dem Jakobsweg nach Spanien und verdrängte pö a pö den heimischen Stil der Westgoten. Verwunderlich ist dieses bei der damaligen, europaweit aufkommenden Beliebtheit einer Jakobspilgerschaft nicht.
    In der Kirche versuchte ich, mich dem Gebet hinzugeben. In meinem Bundeswehr-Gesang- und Gebetbüchle las ich: „Göttliche Tugend ist die Tauglichkeit, mit Gott zu leben. Diese Fähigkeit wurde uns keimhaft in der Taufe geschenkt. Wir beten zu Gott, dass er sie in uns wachsen lasse.“
    Die Schlichtheit der Innenausstattung der San Martin-Kirche war meinen gedanklichen Ausschweifungen förderlich. Ist nicht das Bewusstsein der Einfachheit des Lebens Voraussetzung zur Erhabenheit? Sollte ich mich nicht vorrangig an meinen religiösen und spirituellen Bedürfnissen als an den Konfessionsstreitigkeiten orientieren? Immer diese allgegenwärtige Verrechtlichung und Normierung unseres gesamten Lebens auch im Hinblick auf unseren christlichen Glauben! Keine innovative Spontaneität! Überall nur Uniformität statt Individualität! Obwohl unser dreifältiger Gott von uns doch nur das Eine wünscht: Aufrichtigkeit ihm gegenüber! Die Lehrmeinungen der Amtskirchen - sei sie evangelisch oder katholisch - schienen mir angesichts dieser Kargheit des Kircheninnern plötzlich völlig belanglos. Mein Gott ist ein konfessionsloser Gott, der uns Menschen einzig seine mosaischen Zehn Gebote auferlegt hat. Der Rest ist Menschenwerk! Auch Jesus Christus vermochte diese mosaischen Gebote in seiner Bergpredigt gegenüber den inzwischen von den Israeliten ausgelegten und normierten Zehn Geboten nur neu zu interpretieren. Oder sollte dieses ein gänzlich neuer Vertrag zwischen Gott und den Menschen sein? Ich meine nein! Der Mensch wird Gottes Willen in seiner Fülle niemals erforschen und verstehen können, auch wenn er sich zu allen Zeiten unentwegt auf die angeblichen Eingebungen des Heiligen Geistes und auf die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten seiner menschlichen Erkenntnisse berufen hat und noch berufen werden wird. Denn die göttliche Wahrheit ist und bleibt für uns Menschen in seiner Gänze unerkennbar und unerfahrbar. Allenfalls können wir sie erahnen! Mehr aber auch nicht!
    Selbst Gottes Dreifaltigkeit, nach der Gott in ungeschmälertem Sinne Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, ist für meine Spiritualität hier in der Fremde, im einstigen Lande der Arianer, völlig unerheblich. Vielleicht offenbart sich die Gnade Gottes nicht in unserem Verständnis oder unserer Liebe für ihn sondern nur darin, was wir von unserem persönlichen Glauben wahrlich durchdrungen selbst als eigenes Bedürfnis verspüren und hiernach kompromisslos einzig uns selbst und damit Gott gegenüber verantwortlich leben. Benötigen wir hierbei den Applaus unserer Mitmenschen geschweige denjenigen der Amtskirchen? Ich meine: Nein! Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass diese Einstellung nicht gerade auf jedermann Wohlwollen oder gar Zuspruch stoßen kann. Möge wenigstens Gott mir gnädig und barmherzig sein und mich meine persönliche Beziehung zu ihm erkennen und auch verstehen lassen!
    Nach einem innerlichen Verneigen vor dem symbolisierten Altarkreuz der Kirche begab ich mich erneut hinaus in die Ungewissheit des

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