Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
ausgiebig. Mir kam es vor, als ob eine Ewigkeit vergangen wäre, seitdem ich mich über den Anblick der Natur so wie heute erfreuen gekonnt hatte. Am Fuße dieses Buckels saß unter einem Baume ein alter Mann und versuchte, mir seinen selbst geschnitzten Wanderstock zum Kaufe anzudrehen, was ich dankend ablehnte. Ein Wanderstock wäre für mich auch künftig mehr hinderlich als nützlich. In Astorga kehrte ich nach 25 Tageskilometem in die erste sich mir anbietende Albergue ein.
Montag, den 07.06.:
Wegen der frühen Rausschmisszeiten aus der Herberge und den späten Öffnungszeiten des hiesigen Postamtes sowie der Sehenswürdigkeiten Astorgas hatte ich aus Bequemlichkeit die Zeit durch einen Besuch einer Cafeteria überbrückt. Im Postamt, in dem ich mein zweites Päckchen nach Hause aufgab, erhielt ich drei Postkarten als Werbegeschenk. So entschloss ich mich entgegen meinem Vorsatz, bis zur Ankunft in Santiago de Compostela keine Urlaubsgrüße zu versenden, doch welche an mein Geschäft, an meinen ehemaligen Schulfreund und eine Karte an meinen einzigen Onkel väterlicherseits zu verschicken. Für meinen Onkel und seine sehr schwäbisch pietistisch geprägte Familie fielen mir folgende Grußworte ein, die ich auszugsweise wiedergeben wollte:
„ Mit den Füßen beten ist doch etwas Anderes als nur im Geiste. Trotz Schmerzen, die man für eine Sache in Kauf nimmt, entwickelt sich auf meiner Pilgerreise eine intensivere Dankbarkeit gegenüber Gott. Ansonsten geht es mir gut. Hoffend auf Euer Gebet für eine glückliche Pilgerschaft sende ich Euch viele liebe Grüße .... “
Meine Urlaubsgrüße an meine Geschäftskolleginnen und Kollegen lauteten sinngemäß, dass sie auf eine rechtzeitige Wiederaufnahme meiner Arbeit nach Urlaubende hoffen könnten. Für meine Pilgerschaft wurden mir unter Zusammenlegung meines letztjährigen und diesjährigen Jahresurlaubes zehn Urlaubswochen gewährt. Um von vornherein missgeschickliche Eventualitäten soweit wie möglich auszuschließen, die eine Vollendung meiner Pilgerschaft aus Zeitmangel vereiteln hätten können, wurde mir von meinem Arbeitgeber entgegenkommender Weise darüber hinaus noch zugestanden, je nach Bedarf einzelne noch nicht gewährte Resturlaubstage nachträglich zu nehmen.
In aller Ruhe und Beschaulichkeit ging ich meinen Besorgungen nach.
Das historische, den Reichtum dieser Stadt widerspiegelnde Rathaus mit seinen beiden, kleinen, kreuzgekrönten Seitentürmchen hatte nichts von den üblichen Repräsentationsbauten, die den Stolz der Bürgerschaft und deren kirchliche Unabhängigkeit darstellen, an sich. Vielmehr wirkte es auf mich wie eine Aufforderung zur von Bürgerschaft und Amtskirche ebenbürtig und gemeinsam wahrzunehmenden, christlichen Verantwortung für unser aller irdisches Wohlergehen. „Gib uns unser täglich Brot“ beten wir im „Vater Unser“ und meinen damit weniger das himmlische als vielmehr das für unser diesseitiges Leben unverzichtbar irdische Brot. Bedingt nicht das Eine auch das Andere?
In diesem Sinne ließ ich mich am Tische einer Pizzeria auf dem Rathausplatz nieder, um endlich wieder einmal eine Pizza mit einer dreiachtel Liter Exotenabfüllung eines Rioja-Rotweines kosten zu können. Meine Selbstverpflegungen und die Pilgermenüs bedurften einer geschmacklichen Abwechslung, um nicht kulinarisch zu verstumpfen. Und da ich mich mit einer Pizza Tropical erst eingegessen hatte, bestellte ich mir gleich im Anschluss noch eine Pizza Tonno. Mein seit meiner Wanderschaft erheblich geschrumpfter Bauch konnte dieses locker verkraften. Nach dem Essen lehnte ich mich äußerst zufrieden in meinem Stuhle zurück und empfand erstmals richtige Urlaubsstimmung, obgleich ich von der Pizza Tonno ein bisschen mehr als ein Viertel wegen Übersättigung zurückgehen lassen musste. Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt, dass die Pizzen einen Durchmesser von etwa 25 cm hatten.
Als ich so da saß und mich meines Lebens freute, wurde ich von einem Señor in Begleitung einer etwa gleichaltrigen Dame vom Nachbartische aus auf den Verlauf meiner Jakobspilgerwanderschaft angesprochen und förmlich hierüber ausgequetscht. Dem Herrn schwebte eine alleinige Fernwanderung mit einem täglichen Streckenpensum zwischen 30,00 km bis 40,00 km vor, während seine Begleiterin nach einem mir zuvor zugeworfenen, warnenden Blick nur von vormittäglichen Tageswanderungsabsichten redete. ,Büble, pass bloß auf! Ich geh’ mit! Lass’ ihn
Weitere Kostenlose Bücher