Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
mittelalterlichen Pilgertradition geprägt sei.
Auch das spanische Gehabe zur Selbstdarstellung durch irgendwelche dubiosen Marienerscheinungen oder, sofern diese ausgeblieben oder zu unglaubhaft waren bzw. sind, durch irgendwelche anderweitigen Eigenschaftsmerkmale der Jungfrau Maria, so z.B. der Virgen del Camino, der Jungfrau des Weges, der Virgen del Rio, der Jungfrau des Flusses, langweilten mich zwischenzeitlich. Mit einem derartigen Katholizismus konnte und kann ich nichts anfangen. Insofern war ich und bleibe ich auch als Katholik Protestant oder anders ausgedrückt: Wer’s glaubt wird selig, wer’s nicht glaubt, kommt trotzdem in den Himmel! Unsere heutigen Theologen mögen sich über das Römisch-Katholische, das Evangelische oder das Orthodoxe blendend auskennen, aber irgendwie scheinen sie hierbei das Gespür für den gegenwärtig stillschweigenden, verinnerlichten Protest so vieler Menschen unbeschadet deren Konfessionszugehörigkeit, also für die moderne Form eines Protestantismus vermissen lassen zu wollen.
Da auch dieses nunmehr geklärt ist, wurde ich geistig frei für den restlichen Jakobsweg, bildete ich mir zumindest ein. Um für den Rest des Caminos auch noch nikotinfrei zu werden, rauchte ich gewaltsam meine letzten Zigaretten.
Die Strapazen des Jakobsweges brachten mich wieder zurück in die Gegenwart. Wie gestern wählte ich nicht die Sicherheit des neben der stark befahrenen Nationalstraße umständlich verlaufenden Fußweges sondern die ca. 1,20 m breite, linke Standspur der Nationalstraße. Es ging sich einfach besser.
Am Ortsende von Villadangos del Páramo ereignete sich etwas Wunderbares. Die Ebene war auf einmal durch ein im Schatten des Abendlichtes liegendes Bergmassiv begrenzt. Meine Stimmung besserte sich mit einem Schlage. Gleichfalls hatten die stechenden Schmerzen in meinem rechten Bein nachgelassen.
Wie schon so oft, traf ich beim Betreten der Albergue in San Martin del Camino keinen der Herbergseltern an, so dass ich mich wieder einmal scheute, ungefragt mich einzuquartieren. Meine an die im Vorgarten der Albergue herum sitzenden und sich auf Spanisch unterhaltenden Herbergsgäste auf Deutsch gerichtete Frage, ob denn jemand Deutsch spreche und mir sagen könne, wo sich die Herbergseltern befänden, wurde erst nach längerem Schweigen von einem Deutschen beantwortet.
Sonntag, den 06.06.:
Um 6.15 Uhr verließ ich die Herberge, überquerte die den Fluss Orbiga überspannende Brücke aus der Römerzeit und betrat etwa um 8.15 Uhr die Ortschaft Hospital de Örbigo. Beim Anblick eines mit einer hübschen jungen Lady öffentlich bussierenden, in eine Mönchskutte gekleideten Jünglings war ich schon ein wenig erstaunt, bis mir klar wurde, dass sich die Ortschaft auf ihr heutiges mittelalterliches Markt- und Turnierspektakel gleich demjenigen des Brettener Peter- und Paulfestes vorbereitete. Einer der mittelalterlich Kostümierten gab mir zu verstehen, ich solle mich doch in der von Freiwilligen des Christophorus-Jugendwerkes der Caritas in Breisach-Oberrimsingen restaurierten und im Sommer betriebenen Pilgerherberge einquartieren und an den Festlichkeiten teilnehmen. Ich hingegen wollte nach Astorga weiterziehen. Zum Abschied bekam ich dennoch einen Händedruck.
Die seither triste Landschaft wurde zunehmend abwechslungsreicher und ansprechender. Ich spürte förmlich, wie meine Lebensgeister und meine Lust am Wandern wieder erwachten. Auch der sonnige und nicht zu heiße Tag trug seinen Anteil dazu bei. Ebenso waren meine Füße beinahe schmerzfrei, so dass ich beim Gehen fast ausschließlich nur noch mit meinem Muskelkater zu kämpfen hatte. Durch meine Hinkerei in den letzten Tagen schien ich eine normale Gangart erst wieder erlernen zu müssen, was mir nicht gänzlich gelang.
Wie üblich verging die Zeit meiner Mittagsrast im Schatten einer einsam an der heute wenig befahrenen Nationalstraße gelegenen Tankstelle mit Servicebereich wie im Fluge. Als die Sonnenstrahlen zu meinem Sitzplatz vordrangen, waren bereits zweieinhalb Stunden verstrichen. Noch kurz meine Notdurft verrichtet, ging’s weiter.
Von einer Anhöhe aus, auf der wie unterwegs schon so oft angetroffen ein Wegekreuz stand, bot sich einem ein herrlicher Anblick Astorgas und seiner Umgebung. Bereits im Mittelalter hatten Wegekreuze den Pilgern den Weg nach Santiago de Compostela gewiesen. Um die Herrlichkeit des Tages, die Ruhe und Idylle der Landschaft auskosten zu können, rastete ich auch hier
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