Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
breiten Seitenstreifen der Nationalstraße; aus Sicherheitsgründen allerdings auf der linken Fahrbahnseite. So kann man auf entgegenkommende Fahrzeuge frühzeitig reagieren und wird nicht von rückwärtigen überrascht. Ich fand, dass ich insbesondere in den Abend- und Nachtstunden leichter auf der ebenen Straße als auf dem steinigen, auf und ab führenden, sturzgefahrlichen Wege laufe.
Um 23.15 Uhr stand ich vor der Rezeption des unmittelbar neben dem Camino bzw. der stark frequentierten Nationalstraße liegenden Hostal in Villadangos del Páramo, das mich an das gegenüber liegende Hotel wegen dessen Ausgebuchtseins verwies, welches mich seinerseits an das Hostal aus demselben Grunde wieder rückverwies, um sodann erneut ans Hotel verwiesen zu werden. Als ich dem Nachtportier des Hotels zu verstehen gab, dass mich das Hostal unter dem Hinweis, im Hotel gebe es zweifelsfrei noch eine Übernachtungsmöglichkeit an ihn verwiesen hatte, überlegte der Nachtportier kurz und gab mir ein Zimmer, das bewohnt zu sein schien und möglicherweise den Angestellten diente. Im Zimmer fand ich ein frisch überzogenes Einzelbett und ein frisches Handtuch vor. In der im Toilettenbereich eingerichteten Dusche konnte ich den Staub der Straße abwaschen. So konnten auch heute 21,5 Tageskilometer zurückgelegt werden, ohne dass ich biwakieren musste.
Samstag, den 05.06.:
Meine Hoffnung, für die Übernachtung nichts bzw. äußerst wenig bezahlen zu müssen, zerschlug sich bei meiner Anfrage, was ich für die Übernachtung schuldig sei. € 30,00 knüpften sie mir ab! In der Cafeteria des Hostals konnte ich mein Frühstück einnehmen und meinen gestrigen Tagesbericht in Ruhe abfassen. Durch meine Tagesberichte war ich täglich gezwungen, mich trotz meiner körperlichen Überbelastung und meiner sprachlich bedingten Isolierung zu konzentrieren und auch sprachlich auszudrücken. Als Alleinpilgernder ohne Spanischkenntnisse konnten Gespräche fast ausschließlich nur auf einem sprachlichen und damit geistigen Niveau von Kleinkindern geführt werden. Dieses war sicherlich auch dadurch mitbedingt, dass ich während meinen ständig kurzen Aufenthalten in den Herbergen aus Zeitmangel das Gespräch mit anderen Deutsch Sprechenden nicht suchen konnte. Ich befand mich nun einmal notgedrungen unentwegt alleine auf dem Wege, worüber ich allerdings nicht unglücklich war.
Dem Zeit- und Tempodruck durchtrainierter Pilgergefährten bzw. -gefährtinnen wäre ich nicht gewachsen gewesen. Allzeit hätte ich gemutmaßt, dass auf mich Rücksicht genommen würde, und dieses meine Begleiter doch ankotzen müsste, was mir wiederum gestunken und den Spaß am Pilgern verdorben hätte. So war ich alleine für den Erfolg meiner Pilgerschaft vor Gott aber vor allem vor mir selbst verantwortlich, zumal zu einer erfolgreichen Pilgerschaft selbstverständlich auch eine glückliche Heimkehr zu zählen hat.
Ich wusste nicht, weshalb, aber als ich dieses niederschrieb, überwältigte mich meine Erinnerung an unser Lehrgangstreffen nahe Sigmaringen, das kurz vor Beginn meiner Reise stattgefunden hatte. Bei vier Halben Bier und unzähligen Zigaretten sowie drei Cokes weidete ich mich anfangs in meinen Erinnerungen. Meinen Erinnerungen waren Fragen gefolgt, weshalb Dieter Bonhoeffer, ein lediger, evangelischer Pfarrer, der sein Leben selbstlos für seinen christlichen Glauben hingab, noch nicht zur Seligsprechung vorgeschlagen wurde, obgleich seine schriftlich fixierten Gedanken im deutschen Sprachraum insbesondere auch in römisch-katholischen Wallfahrtszentren allgegenwärtig sind. Haben wir Menschen die christlichen Heilslehren vielleicht zu stark verrechtlicht?
Für mich war nicht länger die nach den Reiseführern hochgejubelte, angebliche Schönheit der örtlich tatsächlich trostlos ebenen Landschaft maßgebend, sondern einzig, mich möglichst rasch Santiago de Compostela zu nähern, so dass ich auch heute eine Übernachtung im Freien in Kauf nahm. Die Romanik und Gotik wiederholt sich doch in jedem Ort leicht variierend. Spanien hatte weder den I. noch den II. Weltkrieg erlebt, so dass an den Gebäudesubstanzen lediglich der Zahn der Zeit nagte, falls der Spanische Bürgerkrieg keine Spuren hinterlassen hatte. Auch war ich es leid, mich permanent den Historien irgendwelcher mittelalterlicher Pilgerhospize hinzugeben. Immer, wenn ich den Reiseführer aufschlug, bekam ich etwas darüber zu lesen, dass dieses oder jenes Gebäude von einer
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