Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
hierdurch zur Schonung meiner Kräfte mit beitragen zu können. Nach dreistündiger Pause, zwei Coca-Colas sowie zwei Cervezas ging’s in den heutigen Endspurt über ca. 13,5 km. Mit einem vollen Magen lässt es sich nun einmal schlecht spurten. Daher sah ich wie immer von einem reichhaltigen Mahle im Restaurante ab und verpflegte mich lieber selbst. Der Zuckergehalt der Cokes und die stärkende Wirkung des Bieres waren neben meinen kargen, auf dem Weg verzehrten Selbstverpflegungen bisher immer Energie spendend genug. Auch konnte durch eine nachmittägliche Fortsetzung meiner Wanderschaft die Mittagshitze bestens vermieden werden. Anscheinend war die Fortsetzung der Wanderschaft nach einer längeren Pause für mich weniger problematisch als für andere. Vielleicht hatte ich den allzeitlichen Hang zur Bequemlichkeit sowie die Angst, in den Abendstunden noch eine Unterkunft zu finden, besser im Griff?
Möglicherweise bewegte ich mich auch stärker außerhalb des Raumes und der Zeit als andere Pilger? Dieses waren jedoch Fragen, nach deren Beantwortung ich nicht suchte. Dennoch sollten sie in meinem heutigen Tageszwischenbericht nicht unerwähnt bleiben.
Interessehalber addierte ich die nach meinem Reiseführer noch anstehenden Wegstreckenkilometer. Es errechneten sich ca. 289,0 km bis Santiago de Compostela. Ich war überrascht, wie verhältnismäßig weit ich mich Compostela bereits genähert hatte. Selbst die Streckenangaben in meinem Pilgerpass wichen unmerklich von meinem Rechenergebnis ab. Somit galt für mich mehr denn je: Ultreja! Immer weiter, Uli! Probleme sind nun einmal dazu da, dass man sie meistert!
Im hiesigen Heiligtum der Virgen del Camino, eine moderne, 1961 errichtete Kirche, empfand ich den Unterschied der Atmosphäre neuzeitlicher Sakralbauten zu den mittelalterlichen. Das schlichte, jedoch nicht kalt wirkende, mit gelben Fensterscharten rechtsseitig und mit einem riesigen, bunten Glasfenster rückseitig durchbrochene Betonmauerwerk wirkte auf mich beim Anblick des Barockaltares im Vordergrund befreiend, was bedeuten soll, dass nicht nur wie insbesondere in der Gotik das Gefühl des Betrachters einseitig in Richtung Himmel hochgehieft sondern gleichzeitig auch in die Weite unserer Erde ausgebreitet werden solle. Hier fand ich meine seit langem vermisste, persönliche Spiritualität, Ruhe und Frieden zur innigen Andacht wieder. Die Ausstrahlung dieses Kirchenraumes ist unzweifelhaft mitbestimmend für die spirituelle Intensität, für welche man sich ausreichend Zeit nehmen muss, um sie wirklichkeitsnah empfinden zu können. Bevor ich meinen Weg am frühen Abend fortsetzte, betrachtete ich noch die modernistischen, monumentalen Apostelfiguren an der Außenfassade des Heiligtums. Im Gegensatz zur Innenraumgestaltung sprachen mich diese Scheußlichkeiten moderner Plastik überhaupt nicht an.
Entgegen meiner üblichen Essensgewohnheit setzte ich meinen Weg erst nach einem ausgiebigen Mahle am Wegesrand fort. Ich hatte solchen Hunger gehabt! Folglich dessen drohte erneut, eine Nacht im Freien verbringen zu müssen. Obgleich ich u.a. einen Apfel und eine Orange gegessen sowie 0,5 1 Multivitaminsaft getrunken hatte, war mein Bauchrucksack vielleicht ein wenig leichter geworden, drückte dafür aber umso mehr auf meinen vollen Magen. Bereits nach 20 Minuten musste ich rasten, um meine erstmals der Sonne ausgesetzten und bereits leicht sonnenverbrannten Waden mit Sonnenschutzcreme einzureiben. Aber danach ging’s kompromisslos weiter. Im Geiste rechnete ich mir aus, dass mir für den Weg tatsächlich noch vier Wochen zur Verfügung standen, ohne dass hierfür die von mir eingeplante Erholungswoche zuhause ganz oder teilweise in Anspruch genommen werden müsste. Diese Erkenntnis machte mich zwar nicht glücklich, beruhigte jedoch ungemein.
Bei meiner Verschnaufpause in Valverde de la Virgen war mir klar, ich werde erneut zu biwakieren haben. Dieses könnte mir die Möglichkeit eröffnen, bereits morgen Abend in Astorga zu sein, da ein Übernachten im Freien mir mehr Zeit für die Wanderschaft lässt. Während des Verschnaufens fiel mir auf, dass im Zentral bereich Kastilien-León auch nach meinem Reiseführer fast keine Pilgersegen oder Pilgerandachten mehr angeboten wurden. Die örtlichen Aktivitäten beschränkten sich hauptsächlich auf die touristische Vermarktung des Jakobsweges.
Auch heute ging ich wieder anstatt auf dem neben der Nationalstraße verlaufenden Jakobsweg lieber auf dem sehr
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