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Jakobsweg im Smoking

Jakobsweg im Smoking

Titel: Jakobsweg im Smoking Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Winterberg
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Pilgerpässe und zeigt auf die Tür des Schlafsaals: Rund 20 Hochbetten dicht an dicht. Keine Bettdecken. Dusche und Toilette sind gegenüber am Ende des Hofes, durch den der kalte Wind fegt. Gemütlich ist anders.
    Steffi hat eine neue Blase .
    Ich habe eine neue Erkenntnis:
    Wenn das Smartphone wasserdicht im Loksak verpackt ist, macht es keine guten Bilder mehr. Das Foto vom Schild am Morgen sieht verwaschen aus.

    Mitten in der Nacht lässt jemand die Tür offen stehen. Der kalte Wind fegt nun auch durch den Schlafsaal. Brr. Draußen sind es um die fünf Grad, drinnen jetzt auch. Verfroren ziehe ich Fleece, zweites T-Shirt, Windjacke und Handschuhe an und schließe die Tür.

Pilgermenü in Pamplona

    Mit leichten Knieschmerzen rechts starte ich in guter Gesellschaft nach Pamplona. Wie die Oberschenkelschmerzen verlaufen sich die Knieschmerzen nach einigen Kilometern. Das erste Mal wandere ich in kurzer Hose. Das Wetter ist angenehm. Ab und zu Regen.
    Mit pflastermüden Füßen erreichen wir unser Ziel, stellen unser Gepäck in der Herberge Casa Paderborn ab, duschen und essen gemeinsam in einem von der Herberge empfohlenen Restaurant ein Pilgermenü.
    Pilgermenüs für etwa 10 Euro gibt es oft am Jakobsweg: Sie bestehen aus einem Primero, einem ersten Gang, gefolgt von einem zweiten Gang, genannt Segundo.
    Der hungrige Pilger darf beim Primero in der Regel wählen zwischen Salat, Suppe, Nudeln etc. A ls Segundo gibt es Fleisch- und Fischgerichte oder weitere Nudelvariationen. Dazu Wein und Wasser, soviel man möchte und zum Abschluss einen kleinen Nachtisch.
    Wir streifen noch ein wenig durch die Innenstadt.
    In einer Apotheke kaufe ich Flectomin-Pulvertütchen zum Mixen von Getränken, mit denen die Elektrolytspeicher des Körpers wieder aufgefüllt werden können. Ein Tütchen auf einen halben Liter Wasser. Durchschütteln. Fertig. Sehr empfehlenswert.

    Zurück in der Herberge, bemerke ich, dass ich das Buff Schlauchhalstuch irgendwo vergessen habe.
    Oh .
    Naja, g enau genommen war dieses Tuch in den letzten Tagen kratziger und weniger hilfreich als erhofft. Falls ich noch einmal dringend Wärme an Hals oder Kopf brauche, kann ich sehr gut mein Handtuch oder das Zweit-T-Shirt als Ersatz verwenden. Komisch, dass mir das beim Packen nicht aufgefallen ist…
    Wir sind in Sechserzimmern untergebracht, getrennt nach Männern und Frauen. Ein angenehmer Kontrast zum 40er-Schlafsaal der letzten Nacht.
    Eine Mehrfachsteckdose neben meinem Bett sieht einladend aus. Während ich schlafe, lädt sich der Akku meines Smartphones wieder auf. In Spanien passen die deutschen Stecker. Es sind keine Adapter erforderlich.

    Morgens servieren die hilfsbereiten Hospitalieros – zwei sehr engagierte Damen aus Deutschland – ein leckeres Frühstück mit Kaffee und Orangensaft.
    Der Weg führt uns heute l ang e bergauf, dann steil und lange bergab. Ein Pilger rät mir, die Schnürsenkel noch etwas fester zu binden, damit man beim Abstieg nicht so sehr in den Schuhen nach vorne rutscht. Guter Tipp.

    Passend zum Abendessen erreichen wir den Ort Puente la Reina .

    Am nächsten Tag geht es weiter nach Estella.
    Es ist sehr sonnig heute. Zu heiß für mich.
    Auf einer Brücke schneidet mir Steffi die Haare.
    Vorbeikommende Pilger amüsieren sich:
    „Bist Du Friseurin?“
    „Nö, Kunstlehrerin!“, entgegnet Steffi.

    Der Weg zieht sich jetzt wunderschön durch die hügelige Landschaft.
    Ich atme auf.
    Mit weniger Haaren fühle ich mich luftiger und wohler.
    Auf den letzten Kilometern schlägt dann das Wetter um: Plötzlich regnet es stürmisch und kalt. Zum ersten Mal darf meine Regenhose zeigen, was sie kann. Ich bin hoch zufrieden mit ihr: Meine Beine sind trocken und warm.
    In Estella bin ich jedoch so erschöpft und müde, dass ich in der Herberge auf dem Weg ins Bett das Stockwerk ver wechsele. Ich stehe im falschen Schlafsaal, bin völlig verwirrt und verstehe erst sehr spät, dass da keine fremde Person in meinem Bett liegt.
    Erheitert über meine eigene Verpeiltheit sinke ich kurz darauf im richtigen Bett in den ohrverstöpselten Schlaf.
    Die ersten 100 km des Weges liegen nun hinter uns.

Brunnen, Muscheln und Pfeile

    Brunnen gibt es am Jakobsweg wie Sand am Meer. Alle paar Kilometer. Spätestens im nächsten Dorf. Obwohl es immer wärmer wird, komme ich mit meiner 0,5 Liter-Flasche gut hin. Meistens ist sie leer und ich benutze sie eher als Becher, denn der nächste Brunnen kommt schneller als ich sie austrinken

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