Jakobsweg im Smoking
könnte.
Am späten Vormittag erwartet uns heute ein kleines Brunnen-Highlight: Statt wie üblich Wasser, spendet dieses Luxusexemplar kostenlos Rotwein…
Mein Körper hat sich mittlerweile einigermaßen an die täglichen Wanderungen gewöhnt: Die Oberschenkel schmerzen nachts nicht mehr, den Knien geht es gut und sogar die Handgelenke haben Frieden mit den Schlaufen der Trekkingstöcke geschlossen.
Die Anordnung meiner Ausrüstung hat sich in den letzten Tagen quasi von selbst optimiert: Regenjacke und -hose sind jetzt ganz unten im Rucksack, noch unter dem Rucksackliner. Dort sind sie mit einem Griff erreichbar.
Meine Fleecejac ke ist zu einer Art Wertsachenbehältnis geworden, das mir nachts im Schlafsack Gesellschaft leistet: In der linken Reißverschlusstasche befindet sich der Hüftbeutel mit Geld, der Loksak mit iPod und Kopfhörern, sowie die Box mit den Ohrstöpseln. In der rechten Tasche ist der zweite kleine Loksak mit dem Smartphone und der größere Loksak mit Pilgerpass, Ausweis und Bankkarten verstaut.
Tagsüber steckt das Smartphone meist griffbereit in der linken Außentasche des Rucksack, zusammen mit den Hand schuhen und der Windjacke. Die Wasserflasche teilt sich die rechte Außentasche mit der Alusitzmatte, manchmal auch mit den Asphaltkappen.
Der Hüftbeutel ist während des Pilgerns im Deckelfach des Rucksacks, so dass ich ihn gut erreichen kann, wenn ich bezahlen möchte. Die Flip Flops lagern bei Tag zwischen Rucksackliner und Rückenpolsterung.
Wäh rend viele Pilger morgens oft sehr lange im Halbschlaf damit beschäftigt sind, ihre Schlafsäcke sorgfältigst zusammenzurollen und mühsam in kleine Säckchen zu stopfen, bin ich gemütlich in unter einer Minute starklar: Mein Schlafsack kommt lose in den Rucksackliner, darüber Handtuch und Wechselkleidung, die über Nacht zum Trocknen bzw. Auslüften am Hochbett hingen. Zuletzt der Kulturbeutel obenauf. Flip Flops dahinter. Fertig.
Ich laufe in langer Hose, mit Fleece, Windjacke und Handschuhen los, da mir morgens noch sehr kühl ist. Nach einigen Kilometern verstaue ich diese Kleidungs stücke im Rucksack, trage Sonnenschutz auf und laufe in kurzer Hose und T-Shirt weiter.
Der Jakobsweg ist bislang ganz hervorragend mit Schildern, Muscheln, gelben Pfeilen und anderen Wegmarkierungen gekennzeichnet. Oft doppelt und dreifach.
Wenn das im weiteren Verlauf so bleibt, braucht man weder Wanderführer noch Wanderkarte und schon gar kein GPS, um wohlbehalten auf dem richtigen Weg in San tiago anzukommen…
Immer mehr Schwierigkeiten bereitet mir jedoch die Hitze: Es sind gefühlte 30 Grad in der Sonne. Auch wenn meine Haut nicht verbrennt – mein Gehirn gart unangenehm hoch temperiert vor sich hin.
I n meiner Not knote ich mir die Alusitzmatte mit den Ärmeln der Windjacke als Sonnenschutz auf den Kopf.
D as sieht maximal unstylish aus, aber noch schlimmer ist: Es hält nicht besonders gut. Ich brauche eine windtauglichere Befestigung…
Den anderen Pilgern setzt die Sonne ebenfalls immer mehr zu: Da wir auf dem Weg tendenziell jeden Tag in Richtung Westen laufen, verbrennt uns die Sonne am Vormittag zunächst den Nacken, später dann massiv die gesamte linke Körperseite. Gegen Abend hat sie schon nicht mehr genug Kraft uns auch noch von vorne zu rösten.
So verbreitet sich der typische Pilgersonnenbrand wie eine Epidemie: Nacken, linker Arm und Südostseite der Waden sind knallrot.
Einen kleinen Vorteil haben Pilger mit Rucksäcken, die so groß sind, dass sie einen natürlichen Nacken schutz bilden. Mein huckePäckchen kann in dieser Liga nicht mitspielen. Ich brauche eine andere Lösung.
Abends in Torres del Rio bin ich nicht in der Lage, die Dusche zu bedienen:
Ich drehe nach links.
Nichts passiert.
Ich drehe nach rechts.
Nichts passiert.
Muss wohl kaputt sein. Ich gehe in eine andere Dusche.
Hier ist ein Aufkleber angebracht:
„Push!“
Oje.
Die Sonne hat mein Gehirn zerkocht.
Tags darauf möchte die Sonne mich weiter garen, doch ich kaufe Sonnencremenachschub, knote mir die Alumatte auf den Kopf und erreiche unversehrt Logroño.
Früh am Sonntagmorgen starten wir Richtung Najera. Während wir nach einer Bar Ausschau halten, prosten uns in den Straßen noch letzte Partygänger lachend zu.
Steffi trinkt gerne schwarzen Kaffee, der in Spanien café americano genannt wird. Ich liebe Milchkaffee, der hier café con leche heißt. Dazu gibt es Bocadillos – belegte Baguettes.
Chrisi, eine Pilgerin, die mir
Weitere Kostenlose Bücher