Jakobsweg
hier leider zu 80% eine Baustelle ist, und auch im Museum, das dazu gehört. Die gotische Kathedrale ist wunderschön, sie wird mir am Ende meines Weges als die schönste in Erinnerung bleiben. Witziges Detail: der Glockenturm ist nicht Bestandteil des eigentlichen Bauwerks, sondern steht 10 oder 15 m weiter weg. Warum das so ist? Keine Ahnung. Santo Domingo ist ein sehr hübscher Ort, manches hat mich an die Beschaulichkeit im Holdenstedt der 70er Jahre erinnert , dies nicht im Negativen.
Im örtlichen Gemischtwarenladen stapeln sich die Barbies bis unter die Decke, darunter sind Tapetenrollen und Jakobsmuscheln ausgelegt, sie sind das Symbol des Pilgers, gleichzeitig der Wegweiser auf dem Camino Santiago - dem Weg nach Santiago. Im gegenüberliegenden Regal liegen die Damenbinden neben Hämmern und kleinen Kistchen mit Nägeln. Zwischen all dem ein bisschen Kosmetik und Einmach-gummis. Das alles ist nur sehr spärlich beleuchtet und wird bewacht von einer reizenden Dame in Kittelschürze. Schön.
Eben ein Anruf von Maren, Gott war die sauer; auf ihren Mann, ihren Sohn, ihren Gökan und ihren Chrissie auch, die Arme. Drei Wochen hat niemand einen Brief geöffnet, von anderen Dingen zu schweigen und übermorgen fliegt sie nach Barcelona, um von dort ihre Kreuzfahrt nach Fort Lauderdale zu beginnen.
Bin in Rekordtempo erst nach Granon und dann weiter nach Redecilla del Camino gerannt. Es war sehr, sehr kalt und zwischendurch auch sehr nass. Böser Nebel und Wind!! Jetzt ist es schon spät und es jault und bläst noch immer geradezu furchterregend. Die ganze die Strecke von Santo Domingo de la Calzada nach Granon war eigentlich eine einzige Baustelle. Dort wird eine neue Strasse direkt neben der N120 gebaut und der Camino liegt mittendrin, d.h. man MUSS da durch, es gibt einfach keine andere Möglichkeit - zwischen Baufahrzeugen und durch tiefe Gruben.
Dafür war ich aber superextraschnell - es gibt halt Tage, da geht es einfach und andere, an denen man keinen Meter vorwärts kommt, glaubt man. Ich fühl' mich wie die Königin des Caminos weil ich so flott unterwegs war heute. In Granon habe ich in der einzigen Kneipe einen Cortado getrunken, etwas Obst und ein paar Kekse gebunkert und bin dann weiter. Der Weg war noch immer sehr matschig, das strengt unheimlich an, manchmal bin ich bis über den Schuhrand eingesackt. Bäääh. Übrigens: so klein, wie all' die Orte sind: eine imposante Kirche gibt es überall! Die paar Kilometer bis nach Redecilla del Camino waren unangenehm, ich war nass von aussen und zudem völlig durchgeschwitzt. Ich habe in der Albergue erst mal einen großen Schluck Wasser getrunken und bin dann weiter gelaufen nach Belorado. 26 Kilometer insgesamt, so viel, fürchterlich. Ich mag nicht mehr. Sehe nichts, höre nichts, setze nur einen Fuss vor den anderen - völlig automatisch. Mein Kopf ist zwischendurch so leer, man quält sich vorwärts und denkt immer nur, "die paar Kilometer, Alte, die schaffst du noch". Aber heute hab' ich das Gefühl, dass mir alles noch mehr weh tut. Ich hab mich die Treppe hoch geschleppt und kaum meine Schuhe aus bekommen. In meinem Hostal die schönste Überraschung der letzten Tage: ein ganz schönes, helles Zimmer und ein großes, warmes Bad mit einer Badewanne. Lieber Gott, ich bin gar nicht so schnell aus meinen Klamotten gekommen, wie da hinein. -Anschließend stand wieder große Wäsche an, die Heizung musste ich doch ausnutzen.
Früh am Morgen
Habe Fieber - nun weiß ich, warum ich gestern so gefroren habe und so fertig war. Bleibe im Bett, konnte mein Hostal glücklicherweise um eine Nacht verlängern, sonst müsste ich jetzt gehen. Habe seit gestern am späten Nachmittag fast ununterbrochen geschlafen, jetzt eben einige Karten und einen langen Brief an mein Kind geschrieben. Statt Cafe zum Frühstück eine heiße Brühe, das tut gut.
Am nächsten Tag
Habe gestern die ganze Zeit im Bett gelegen und mehr oder weniger geschlafen - wie früher als Kind. Heute bin ich erst gegen 8h aufgestanden, habe noch ein heißes Bad genommen und mich dann aufgemacht Richtung Torsantos bzw. Villafranca des Montes de Oca. Bin noch nicht fit, Schweißausbrüche unterwegs und Schwindel und so habe ich ab Villafranca trotz Superwetter den Bus genommen und bin bis zum Stadtrand von Burgos gefahren. Von dort kommt man durch jede Menge Industrie allmählich in die Stadt, die früher Franco's "Basislager" war. Heute ist Sonntag, es herrscht eine sehr besondere Stimmung
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