Jamaica Lane - Heimliche Liebe
Ich räumte die Überreste meines Mittagessens weg, spülte meine Tasse aus und wandte mich zur Tür.
Kurz bevor sie hinter mir ins Schloss fiel, hörte ich Ronan einen abgrundtiefen Seufzer ausstoßen. »Na toll, jetzt habe ich die ganze Zeit Sir Mix-a-Lot im Kopf.«
***
Während Nate an meinen Küchentresen gelehnt seine Cola trank, erlaubte ich mir, ihn zu betrachten – wirklich zu betrachten, so, wie ich es nicht mehr getan hatte, seit wir Freunde geworden waren. Es war Donnerstagabend, und er war kurz zuvor eingetroffen, damit wir mit unserem Nachhilfeunterricht weitermachen konnten. Er trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, schwarze Boots und eine Sportarmbanduhr am Handgelenk. Er strahlte Glamour aus, ohne dass er sich darum bemühen musste. Vermutlich hätte er es schrecklich gefunden, wenn er gewusst hätte, dass ich das Wort »Glamour« gebrauchte, um ihn zu beschreiben, aber es traf nun mal zu. Er sah immer so aus, als würde er jeden Moment über den roten Teppich laufen und für Paparazzi posieren. In seinem dreiteiligen Anzug auf Joss’ und Bradens Hochzeit war er eine geradezu atemberaubende Erscheinung gewesen. Jeder männliche Hollywoodschauspieler wäre vor Neid erblasst.
Aber es war nicht nur sein Aussehen. Hinter seiner Aufreißerfassade steckte ein Mensch, der ungewöhnlich loyal, bescheiden, mitfühlend und – man konnte es nicht anders sagen – großzügig war. Er nahm sich Zeit, mir bei meinem ziemlich peinlichen Problem zu helfen, und bis jetzt hatte er sich sehr bemüht, damit die Sache für mich nicht zur Qual wurde. Wie viele Männer waren so nett und geduldig?
Nate war äußerlich wie innerlich ein schöner Mensch, und erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, dass ein Mann wie er mir gesagt hatte, er fände mich attraktiv.
»Also, ist vom letzten Mal irgendwas bei dir hängengeblieben?«, fragte Nate abwartend, nachdem er noch einen Schluck von seiner Cola getrunken hatte.
»Ich singe seit vierundzwanzig Stunden ununterbrochen ›I Like Big Butts‹ vor mich hin.«
Sein Lachen schallte durch meine winzige Wohnung und fuhr mir direkt in den Magen. So stark hatte ich schon lange nicht mehr darauf reagiert. Ich schob das Gefühl energisch beiseite und fuhr fort. »Ja, ich glaube, ich habe es verstanden. Wenigstens hatte ich danach gute Laune, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich vielleicht wirklich eine etwas verzerrte Selbstwahrnehmung habe. Aber dadurch werde ich nicht über Nacht selbstbewusst. Der Gedanke, mit Benjamin zu flirten – mit Benjamin irgendwas zu machen –, macht mich nach wie vor wahnsinnig nervös.«
Er zuckte mit den Achseln. »Du musst Geduld haben. Wir kriegen das schon hin. Ich wollte nur sichergehen, dass du wenigstens über das nachdenkst, was ich gesagt habe. Ich will hier schließlich nicht meine Zeit verschwenden.«
Es gelang mir nur mit Mühe, bei dieser Bemerkung keine Miene zu verziehen. Nate konnte sehr direkt sein. So war er eben. Er nahm kein Blatt vor den Mund, und wenn man sensibel war, konnte man das, was er sagte, schnell in den falschen Hals bekommen. »Du verschwendest deine Zeit nicht«, beteuerte ich.
Er zog in Andeutung eines Lächelns den rechten Mundwinkel nach oben. »Nein, ich verschwende meine Zeit nicht.«
Ich versuchte, mich nicht vom Anblick seines Grübchens aus der Bahn werfen zu lassen, stieß etwas zittrig den Atem aus und fragte dann: »Und was nehmen wir als Nächstes durch?«
»Erstens: Flirten. Zweitens: Klamotten.«
Ich blinzelte verdattert und überlegte, was genau damit gemeint war. Ohne Ergebnis. »Äh … Klamotten?«
Nate maß mich mit einem vielsagenden Blick. »Besitzt du einen Rock? Ein Kleid? Irgendwas, das ein bisschen Dekolleté zeigt?«
Ah. Jetzt verstand ich, was er meinte. Es war nicht so, dass ich keinen Modegeschmack gehabt hätte – zumindest hoffte ich, dass ich einen hatte –, er war lediglich ein bisschen konservativ. Aber irgendein Teil mit tiefem Ausschnitt musste ich doch im Schrank haben …
Ich brauchte offenbar zu lange zum Nachdenken, denn Nate sagte selbstgefällig: »Eben.«
»So schlimm sind meine Klamotten nun auch wieder nicht.«
»Nein. Aber ich habe bisher nur ein einziges Mal erlebt, dass du ein Kleid getragen hast, und das war als Brautjungfer auf der Hochzeit von Joss und Braden. Einen kurzen Rock habe ich an dir auch noch nie gesehen.«
Er trank einen Schluck, und ich verfolgte fasziniert die Auf- und Abwärtsbewegung seines Kehlkopfs.
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