James Bomb 1 - James Bomb 006 jagt Graf Dracs
Majestät.
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Das Essen war exzellent.
Hinter jedem Stuhl stand ein betreßter Lakai.
Bomb im weißen Dinnerjackett, schwarzgetäfelter Hemdbrust und weinrotem Kummerbund, fühlte sich nicht unbehaglich.
Die Gesellschaft beschränkte sich auf den engsten Kreis der Herrscherfamilie. Außer dem Shuh und seiner Gemahlin, der Shubanuh Soranda I., waren nur noch die Kaiserinmutter und der kaiserliche Schwager, Oberst Ali Babus, anwesend.
Die Shubanuh, die den Platz schräg gegenüber Bomb eingenommen hatte, war auch in natura von jener puppenhaften Schönheit, mit der sie auf den Illustriertenbildern die Leser in aller Welt entzückte. Sie war ein zierliches Persönchen mit tiefschwarzem Haar und robbenfeuchten Samtaugen.
Sie warf nur gelegentlich einen scheuen Blick auf ihren ausländischen Gast, ihre Augen ansonsten sittsam gesenkt haltend.
Bomb fühlte sich unendlich erotisch frustriert. Ihm erschien in diesem Augenblick seine Mission, jedenfalls was ihren delikaten Teil anbelangte, mehr denn je als absurd und völlig hoffnungslos.
Die Kaiserinmutter war ein asthmatisches, unförmiges Fossil, das keuchte und röchelte und sich mit den kulinarischen Köstlichkeiten der Tafel wortlos vollstopfte. Zwischen den Gängen verfiel sie in Schlaf, wobei sie regelmäßige Schnarch- und Grunztöne von sich gab. Sie war offensichtlich stocktaub, niemand beachtete sie oder richtete während des dreiviertelstündigen Diners auch nur ein einziges Wort an sie.
Die Speisen waren delikat zubereitete Landesspezialitäten, die ihm vom Oberst erläutert wurden und deren fremdartige Namen Bomb sofort wieder entfielen. Nichtsdestotrotz schmeckten sie vorzüglich. Bomb jedoch befiel angesichts der Menge die Sorge um seine Figur und um den in seinem Beruf so notwendigen Sex-Appeal.
Die Unterhaltung zwischen ihm, dem Shuh und seinem Schwager drehte sich hauptsächlich um Automobile, Motorräder und Sport; Fachsimpeleien, bei denen die Männer völlig unter sich blieben.
Endlich, nach einem raffinierten Dessert, eine Art türkischer Honig mit Bananen, Feigen und alkoholisierter Schlagsahne, einer wahren Kalorienbombe, wurde die Tafel aufgehoben.
Die Gesellschaft begab sich vom blaugoldenen Speisesaal in den in Orangetönen gehaltenen Spielsalon, wo — wie üblich, wenn Graf Dracs in die Hauptstadt kam — nach dem Essen eine Partie Schwarzer Peter stattfinden sollte.
Der Graf erwartete die Gesellschaft bereits. Er begrüßte das Herrscherpaar; der Shuh wechselte mit ihm eine herzlich vertraute Umarmung, bei der Shubanuh glaubte Bomb eine mühsam unterdrückte Abneigung zu bemerken. Der Oberst und der Graf nickten einander nur kühl zu.
Endlich sah sich Bomb seinem Gegner Aug’ in Aug’ gegenüber.
Wladimir Graf Dracs , kaiserlich personischer Minister für Inneres und Sonderaufgaben, Geheimdienstchef und schwarze Eminenz des Hofes, war ein aristokratischer, hochgewachsener Mann unbestimmbaren Alters. Er hatte straff nach hinten gekämmtes Haar, das, je nachdem, wie das Licht darauf fiel, schwarzglänzend oder graumeliert erschien, so daß man seinen Träger mal in den besten Jahren, mal an der Schwelle des Greisentums wähnte. Der Teint des Grafen war von grauer Fahlheit, sein Mund hart und gebieterisch, sein Gebiß kräftig und muskulös. Seine Augen blickten mit Kälte und hypnotischer Stärke. Er war ganz in düsteres Schwarz gewandet. In der dunklen Seidenkrawatte steckte eine Diamantnadel in Form einer Fledermaus, an seiner rechten Hand blitzte der riesige schwarze Siegelring seines Geschlechts. Dieser Mann war ein sicher nicht zu unterschätzender Gegner.
Der Oberst machte Bomb und den Grafen miteinander bekannt.
Dracs musterte Bomb wie ein lästiges Insekt.
„Sie sind Londoner, Mr. Woodpick?“ fragte er, nur der Form halber, sein Desinteresse mühsam verbergend.
„Gewiß, Exzellenz“, antwortete Bomb.
„Schöne Stadt, schöne Stadt, kenne sie leider nicht persönlich“, sagte Dracs etwas unlogisch, rieb sich die trockenen Hände und strebte dem runden, mit grünem Filz bespannten Louis-Seize-Spieltisch zu, der den Mittelpunkt des Salons bildete.
„Wir sollten gleich beginnen, die Nacht ist kurz“, sagte er ungeduldig. Es sollte scherzhaft klingen, aber es klang wie ein Befehl.
Der Kerl tritt auf, als wäre er der Herr im Hause, dachte Bomb.
Da niemand widersprach, nahmen die vier Männer am Spieltisch Platz. Zur Linken Bombs saß der Shuh, zu seiner Rechten Oberst Babus und ihm gegenüber Graf Dracs,
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