James Bomb jagt das geklonte Monster
zwei Portionen Eisbein - was immer das sein mochte -, Kartoffeln und Erbspüree, dazu zwei Weiße mit Schuß, eine obskure kontinentale Mischung von Bier und Sirup, wahlweise mit Himbeer- oder Waldmeistergeschmack.
„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“, meinte der Professor, wobei er der erfreuten Bedienung, die sich beim Servieren über ihn beugte, ungeniert die Schulter an ihren überdimensionierten Busen drückte.
Das Essen erwies sich als deftig und schmackhaft, nur erfüllte Bomb das brisant erscheinende Gemenge aus neuen Kartoffeln, Hülsenfrüchten und gärendem Bier mit Sorge. Da er mit dem Professor ein Doppelzimmer teilte, dürfte sich das zu befürchtende Auftreten von Flatulenz störend auf die Nachtruhe auswirken.
Endlich tauchte - erheblich verspätet - der Sekret-Service-Verbindungsmann, ein farbloser Astheniker namens Smallstone, auf, der sich als Erkennungszeichen ein Donald-Duck-Comic unter den Arm geklemmt hatte.
Seine Verspätung entschuldigte er mit einem undeutlich gemurmelten: „Mußte erst noch Dimitroff vom KGB abhängen.“
Wer’s glaubt, wird selig, dachte Bomb.
Da die Zeit drängte - langsam begann sich die Dämmerung über die geteilte Stadt zu senken bezahlte Eggbone gleich die Zeche, wobei ihm die dralle Bedienung zum Abschied noch einmal die Milchdrüsen an seine erhitzten Ohrlappen preßte.
„Ein Prachtweib“, konstatierte der Gelehrte begeistert, „ein Genotyp, wie man ihn in Oxford nicht allzu häufig findet.“
Sie kletterten in Smallstones Wagen, einen betagten Humbler, und starteten zu einer Sightseeing-Tour, die sie mit dem Teil der Mauer vertraut machen sollte, den sie bei ihrer Flucht voraussichtlich überqueren würden.
Sie fuhren die breite Straße zur Siegessäule entlang, wo ihnen minderjährige Bordsteinschwalben mit eindeutigen Gesten zuwinkten.
„Das ist unser Babystrich“, erläuterte Smallstone, „sehr beliebt bei unseren älteren Mitbürgern.“
Sie fuhren weiter und stießen vor dem Brandenburger Tor direkt auf die Mauer, hier bog Smallstone nach links ab. Sie kamen am Reichstagsgebäude vorbei zum Spreeufer.
„Dahinter liegt das Ostberliner Charité-Krankenhaus, in dem der Kongreß stattfindet“, erläuterte Smallstone. „Wenn Sie hier rüberkommen sollten, sehen Sie zu, daß Sie sich keine nassen Füße holen.“
Sie kamen am Grenzübergang Invalidenstraße vorbei, an deren östlichem Ende ihr späteres Quartier, das Hotel Luna, lag. Sie fuhren einen langen, geraden Mauerabschnitt in Richtung Nordwesten entlang, der nach einem Kilometer einen Knick nach Osten machte. Sie passierten ein Eisstadion, den Grenzübergang Chausseestraße und einen Friedhof mit Kirche, dann führte die Mauer wieder nach Südosten, wo sie einen weiteren Kilometer geradeaus bis zu einer erneuten Biegung nach Nordosten verlief.
Hier kehrten sie um.
Bomb war beeindruckt.
Die starken Befestigungen, der geharkte Todesstreifen, spanische Reiter mit Stacheldraht, Wachtürme und Unmengen von Scheinwerfern, das alles sah ziemlich mulmig aus.
Er verspürte ein leichtes Ziehen in den Eingeweiden, das er nicht allein auf Erbspüree und Weißbier zurückführen konnte.
„Na, Professor“, sagte er, „scheint, daß die Burschen da drüben wenig Spaß verstehen, wenn jemand ihrem Arbeiter- und Bauernparadies Lebewohl sagen will. Da werden sie bei uns auch keine Ausnahme machen wollen.“
„Wenn wir auf 150 Meter ansteigen und uns schön leise heranpirschen“, meinte der Professor guten Mutes, „glaub’ ich nicht, daß sie uns so schnell ausmachen. Die glotzen mit ihren Ferngläsern ja doch meistens in Richtung goldener Westen.“
„Ihr Wort in Gottes Gehörgang“, meinte Bomb skeptisch.
Smallstone fuhr sie zum Hotel am Zoo zurück, wünschte ihnen Hals- und Beinbruch und ratterte mit seinem alten Humbler davon.
Bomb und Eggbone begaben sich auf ihr Zimmer und machten sich landfein. Sie hatten beschlossen, ihren letzten Abend im Westen - vielleicht den allerletzten in Freiheit, wie es Bomb schreckhaft durchfuhr - noch gebührend zu feiern.
„Wenn zieh’n wir morgen in die Schlacht, wird heut’ noch einer draufgemacht“, rezitierte Prof. Eggbone und rieb sich unternehmungslustig die Hände. „Alte Soldatenregel, Bomb!“
11
Sie verließen kurz nach halb neun das Hotel.
In den folgenden sechs Stunden ließ der Biogenetiker Professor Archibald Eggbone, Ordinarius aus Oxford, die sprichwörtliche Sau heraus. Er führte sich auf wie ein Fahrensmann
Weitere Kostenlose Bücher