James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
den Tragflächen blinkten in der einbrechenden Dunkelheit grün und rot. Schon bald waren sie über Miami und den Touristenfallen der Ostküste, die von Neonlichtern hell erleuchtet wurden. Links von ihnen verschwand der State Highway Nr. 1 mit seinen Motels, Tankstellen und Saftständen, der sich von Palm Beach und Daytona bis zum fast fünfhundert Kilometer entfernten Jacksonville erstreckte. Bond dachte an das Frühstück, das er vor nicht einmal drei Tagen in Jacksonville gehabt hatte, und an alles, was seitdem passiert war. Schon bald würde er nach einem kurzen Zwischenstopp in Nassau über Kuba hinwegfliegen, vielleicht ja auch über das Versteck, in das Mr Big sie gebracht hatte. Sie würde das Geräusch des Flugzeugs hören, und vielleicht würden ihre Instinkte sie dazu bringen, zum Himmel aufzublicken, und sie würde für einen Moment seine Nähe spüren.
Bond fragte sich, ob sie sich jemals wiedersehen und beenden würden, was sie angefangen hatten. Aber das würde warten müssen, bis sein Auftrag erledigt war – der Preis am Ende des gefährlichen Weges, den er vor drei Wochen in den Nebeln von London eingeschlagen hatte.
Nach einem Cocktail und einem frühen Abendessen kamen sie in Nassau an und verbrachten eine halbe Stunde auf der reichsten Insel der Welt, dem sandigen Fleck, an dem eine Milliarde verängstigter Pfund Sterling unter Canasta-Tischen begraben lag, und wo Bungalows, die von einem schmalen Kranz Schraubenpalmen und Kasuarinen umgeben waren, für fünfzigtausend Pfund den Besitzer wechselten.
Sie ließen den luxuriösen Zwischenstopp hinter sich und überquerten schon bald die funkelnden Perlmuttlichter von Havanna, die sich in ihrer pastellfarbenen Bescheidenheit so sehr von den grellen Primärfarben der amerikanischen Städte bei Nacht unterschieden.
Sie flogen gerade in etwa fünftausend Metern Höhe über Kuba, als sie in einen dieser heftigen tropischen Stürme gerieten, die Flugzeuge in Sekundenschnelle von komfortablen Salons in schwankende Todesfallen verwandelten. Der große Flieger erzitterte und fiel stark ab. In einem Moment dröhnten seine Turbinen im Vakuum, dann verbissen sie sich wieder in der Luft. Das schmale Flugzeug wurde erschüttert und hin und her geworfen. Geschirr flog aus den Schränken, und gegen die Fenster aus Acrylglas hämmerten dicke Regentropfen.
Bond klammerte sich so fest an die Armlehnen seines Sitzes, dass seine linke Hand schmerzte, und fluchte leise vor sich hin.
Er warf einen Blick auf die Fächer mit Magazinen und dachte: Die werden auch nicht viel helfen, wenn der Stahl in fünftausend Metern Höhe ermüdet, genauso wenig wie das Eau de Cologne auf der Toilette, die personalisierten Gerichte, der Gratisrasierer oder die Orchideen als Mitbringsel für Zuhause, die nun in einer Kühlbox durchgerüttelt werden. Und am wenigsten werden die ganzen Sicherheitsgurte und Schwimmwesten mit Trillerpfeifen helfen, die, wie die Stewardess demonstriert hat, wirklich funktionieren, und schon gar nicht die niedliche kleine, rot glühende Rettungslampe.
Nein, wenn die Belastung für das erschöpfte Metall zu stark wird, wenn der Mechaniker, der für die Enteisung zuständig ist, irgendwo in London, Idlewild, Gander oder Montreal aus Liebeskummer nachlässig war, wenn eins oder mehrere dieser Dinge zutreffen, stürzt der kleine warme Raum mit den Propellern an der Spitze geradewegs vom Himmel ins Meer oder auf den Boden. Schwerer als Luft, fehlbar, überheblich. Und die etwa vierzig kleinen Personen, schwerer als Luft, fehlbar innerhalb der Fehlbarkeit des Flugzeugs, überheblich innerhalb seiner größeren Überheblichkeit, fallen mit ihm und verursachen kleine Löcher im Boden oder Platscher im Meer. Was ohnehin ihr Schicksal ist, also warum sich Sorgen machen? Du bist mit den nachlässigen Händen des Mechanikers in Nassau genauso verbunden wie mit denen des kleinen Mannes in der Familienkutsche, der die rote Ampel mit einer grünen verwechselt und frontal gegen dich prallt, zum ersten und letzten Mal, während du friedlich von irgendeinem privaten Fehltritt nach Hause fährst. Es gibt nichts, was du dagegen tun kannst. Vom Moment der Geburt an beginnt man zu sterben. Das ganze Leben ist nicht mehr als ein Durchkämpfen zum Tod. Also nimm es leicht. Zünde dir eine Zigarette an, und während du den Rauch tief in die Lunge ziehst, sei dankbar, dass du noch am Leben bist. Das Schicksal hat dich schon recht weit kommen lassen, seit du den Schoß der Mutter
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