James Bond 03 - Moonraker (German Edition)
Straße nach Dover ist momentan ziemlich gefährlich.«
»Keine Sorge, Sir«, antwortete der Fahrer, der sich dachte, dass dieser Mann trotz seines Wissens über Autos eine ganz schöne Memme sein musste. »Ist doch ein Zuckerschlecken für mich.«
»Ein Zuckerschlecken, soso«, erwiderte Bond lächelnd. »Dann sehen wir uns in Calais.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, humpelte er mithilfe seiner Krücke durch die staubigen Flecken der Abendsonne, die durch die Bäume im Park schien.
Bond setzte sich auf eine der Bänke gegenüber der Insel im See, zog sein Zigarettenetui hervor und zündete sich eine Zigarette an. Dann sah er auf die Uhr. Fünf Minuten vor sechs. Er sagte sich, dass sie zu der Art Mädchen gehörte, die pünktlich war. Er hatte zum Abendessen den Ecktisch reserviert. Und dann? Aber zuerst kam die ausgiebige genüssliche Planung. Was würde ihr gefallen? Wohin würde sie gehen wollen? Wo war sie bereits gewesen? Natürlich in Deutschland. Frankreich? Paris würden sie erst mal auslassen. Das konnten sie sich auf dem Rückweg immer noch ansehen. Sie sollten am ersten Abend so schnell wie möglich aus Calais raus. Zwischen Montreuil und Etaples gab es diese Bauernstube mit dem wunderbaren Essen. Dann schnell hinunter zur Loire. Ein paar Tage in den kleinen Dörfern nahe dem Fluss. Nicht die Château-Städte. Orte wie Beaugency zum Beispiel. Dann langsam südwärts und immer entlang der westlichen Straßen halten. Sie mussten das Fünf-Sterne-Leben meiden. Nach und nach alles erforschen. Bond richtete sich auf. Was erforschen? Einander? War es ihm mit diesem Mädchen etwa ernst?
»James.«
Die Stimme war klar, hoch und klang etwas nervös. Nicht die Stimme, die er erwartet hatte.
Er sah auf. Sie stand ein paar Meter entfernt. Er bemerkte, dass sie eine schwarze Baskenmütze in einem kecken Winkel trug. Sie sah aufregend und geheimnisvoll aus, wie jemand, den man allein in einem offenen Wagen vorbeifahren sieht, jemand der unerreichbarer und begehrenswerter ist als jede Person, die man je zuvor gekannt hat. Jemand, der unterwegs ist, um mit jemand anders zu schlafen. Jemand, den man nicht haben kann.
Er stand auf, und sie gaben sich die Hand.
Sie war es, die die Berührung schließlich löste. Und sie blieb stehen.
»Ich wünschte, du könntest morgen dabei sein, James.« Sie sah ihn freundlich an. Freundlich, aber irgendwie auch ausweichend, dachte er.
Er lächelte. Morgen Vormittag oder morgen Abend?«
»Sei nicht albern«, schimpfte sie lachend und errötete leicht. »Ich meinte im Buckingham Palace.«
»Und was hast du danach vor?«, fragte Bond.
Sie sah ihn aufmerksam an. An was erinnerte ihn dieser Blick? An den Schachspieler Morphy? Den Blick, den er Drax am Ende der Bridgepartie im Blades zugeworfen hatte? Nein. Nicht ganz. Es lag noch etwas anderes darin. Zärtlichkeit? Bedauern?
Sie sah über seine Schulter.
Bond drehte sich um. Ein paar Hundert Meter entfernt stand die hochgewachsene Gestalt eines jungen Mannes mit kurzen blonden Haaren. Er stand mit dem Rücken zu ihnen und schien die Zeit totzuschlagen.
Bond drehte sich um, und Gala erwiderte seinen Blick geradeheraus.
»Ich werde diesen Mann heiraten«, sagte sie leise. »Morgen Nachmittag.« Und dann, als sei keine weitere Erklärung nötig: »Sein Name ist Detective-Inspector Vivian.«
»Oh«, erwiderte Bond. Er lächelte steif. »Ich verstehe.«
Es folgte ein Moment der Stille, in dem sie den Blick voneinander abwandten.
Warum hätte er etwas anderes erwarten sollen? Ein Kuss. Die Nähe zweier verängstigter Körper, die sich inmitten der Gefahr aneinanderklammerten. Mehr war nicht passiert. Und sie hatte einen Verlobungsring getragen. Warum hatte er automatisch angenommen, dass sie ihn nur deswegen trug, um Drax in Schach zu halten? Warum hatte er sich eingeredet, dass sie seine Wünsche und Pläne teilte?
Und was nun?, fragte sich Bond. Er zuckte mit den Schultern, um die Last des Scheiterns abzuschütteln – den Schmerz des Versagens, der so viel größer ist als das Vergnügen des Erfolgs. Das war der Abschied. Er musste aus dem Leben dieser beiden jungen Leute verschwinden und sein kaltes Herz von hier fortbringen. Kein Bedauern. Keine falsche Gefühlsduselei. Er musste die Rolle spielen, die sie von ihm erwartete. Der toughe Mann von Welt. Der Geheimagent. Der Mann, der nur ein Schemen war.
Sie betrachtete ihn zunehmend nervös und wartete darauf, von dem Fremden erlöst zu werden, der versucht hatte, einen
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