James Bond 03 - Moonraker (German Edition)
Fingerabdrücke und ein riesiges Vergrößerungsglas heraus. Er versprühte das feine graue Pulver Stück für Stück auf der ganzen Karte. Ein regelrechter Wald aus Fingerabdrücken kam zum Vorschein.
Er untersuchte sie mit dem Vergrößerungsglas und kam zu dem Schluss, dass sie zu zwei verschiedenen Personen gehörten. Er isolierte zwei der besten Abdrücke, nahm eine Leica-Kamera mit einer Blitzlichtbirne aus dem Lederkoffer und fotografierte sie. Dann betrachtete er mithilfe des Vergrößerungsglases die beiden winzigen Furchen im Papier, die das Pulver ans Licht gebracht hatte.
Es schien sich dabei um zwei Linien zu handeln, die von der Küste aus gezogen worden waren, um im Meer eine Kreuzpeilung zu bilden. Es war eine sehr schmale Peilung, und beide Linien schienen ihren Ursprung in dem Haus zu haben, in dem sich Bond gerade befand. Tatsächlich, überlegte Bond, mochten sie auf Beobachtungen eines Objekts auf dem Meer aus jedem Flügel des Hauses hinweisen.
Die beiden Linien waren nicht mit einem Bleistift gezogen worden, sondern – vermutlich um ihre Entdeckung zu verhindern – mit einem Kopierstift, der nur ganz leichte Furchen im Papier hinterlassen hatte.
An dem Punkt, an dem sie sich trafen, ließ sich der Hauch eines Fragezeichens ausmachen, und dieser Punkt war die Zwölf-Faden-Linie, die etwa fünfundvierzig Meter von der Klippe entfernt auf einer direkten Peilung vom Haus zum South-Goodwin-Feuerschiff lag.
Mehr ließ sich anhand der Karte nicht herausfinden. Bond schaute auf seine Uhr. Zwanzig vor eins. Er hörte ferne Schritte im Flur, und das Klicken einer Lampe, die ausgeschaltet wurde. Aus einem Impuls heraus stand er auf und löschte leise das Licht in seinem Zimmer. Lediglich die dämmrige Leselampe neben dem Bett ließ er an.
Er hörte Drax’ schwere Schritte über die Treppe näher kommen. Es folgte das Klicken eines weiteren Schalters und dann Stille. Bond konnte sich vorstellen, wie sich das große haarige Gesicht im Flur herumdrehte, sich umsah und lauschte. Dann erklangen ein Knarren und das Geräusch einer Tür, die leise geöffnet und ebenso leise wieder geschlossen wurde. Bond wartete und stellte sich die Bewegungen des Mannes vor, während er sich bettfertig machte. Das gedämpfte Geräusch eines aufgestoßenen Fensters ertönte und gleich darauf das ferne Trompeten einer geräuschvoll geschnäuzten Nase. Dann herrschte wieder Stille.
Bond gab Drax weitere fünf Minuten, dann ging er zum Aktenschrank und zog vorsichtig die restlichen Schubladen auf. Die zweite und dritte waren leer, doch die unterste war voller Aktenmappen, die mithilfe eines Buchstabenregisters sortiert waren. Es handelte sich um die Personalakten sämtlicher Männer, die in der Anlage arbeiteten. Bond zog den »A«-Stapel heraus, kehrte zum Bett zurück und fing an zu lesen.
Jede Akte war nach dem gleichen Schema aufgebaut: vollständiger Name, Adresse, Geburtsort, Beschreibung, besondere Merkmale, Beruf oder Branche seit dem Krieg, Kriegsakte, politische Akte und aktuelle Sympathien, Vorstrafenregister, Gesundheitszustand, Verwandte. Ein paar der Männer hatten Frau und Kinder, deren Personalien aufgeführt waren, und in jeder Akte befanden sich Fotos, Frontal- und Profilansicht, sowie die Fingerabdrücke beider Hände.
Zwei Stunden und zehn Zigaretten später hatte er sich durch alle Akten gearbeitet und zwei interessante Entdeckungen gemacht. Zum einen schien jeder der fünfzig Männer ein schuldloses Leben ohne irgendwie geartete politische oder kriminelle Einflüsse geführt zu haben. Das kam Bond so unwahrscheinlich vor, dass er beschloss, jede einzelne Akte bei der ersten Gelegenheit zurück an Station D zu schicken, damit sie noch einmal gründlich überprüft werden konnten.
Der zweite Punkt war, dass keines der Gesichter auf den Fotos einen Schnurrbart hatte. Trotz Drax’ Erklärungen, ließ diese Tatsache ein weiteres kleines Fragezeichen in Bonds Kopf erscheinen.
Bond erhob sich vom Bett und schloss alles weg. Die Admiralitätskarte und eine der Akten verstaute er in seinem Lederkoffer. Er drehte die Rädchen des Kombinationsschlosses und schob den Koffer unter sein Bett, sodass er an der Wand unter der Stelle lag, wo sich sein Kissen befand. Dann wusch er sich leise im angrenzenden Badezimmer, putzte sich die Zähne und öffnete das Fenster.
Der Mond schien immer noch, genau wie er geschienen haben musste, dachte Bond, als Tallon, womöglich von einem ungewöhnlichen Geräusch geweckt,
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